IV. König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen
und seine Zeil. (1840—1861.)
1. Persönlichkeit.
Am 15. Oktober 1795 geboren, ging Friedrich Wilhelm IV. bei
seiner Thronbesteigung der Vollendung des 45. Lebensjahres entgegen. Eine
schöne, stattliche Erscheinung, hochgewachsen, ein Meister der Rede, in die
Staatswissenschaften von dem Geschichtsforscher und Diplomaten Niebuhr
eingeführt, im Kriegswesen noch von Scharnhorst unterrichtet, in den
schölten Künsten von dem Baumeister Karl Friedrich Schinkel und
dem Bildhauer Christian Rauch ausgebildet. Er war vielseitig begabt
und reich an Anregungen und Plänen, die dem Ausbau des Staates
und der Befriedigung der Volkswünsche dienen sollten; aber es fehlte ihm
an Festigkeit des' Willens und an Beharrlichkeit bei seinen Bestrebungen.
Seine Vorliebe für Zustände längst vergangener Jahrhunderte ließ ihn
die Bedürfnisse der eignen Zeit verkennen. Seine schwungvolle Bered-
samkeit riß die Zuhörer hin; seine Worte waren aber zuweilen dem
Mißverständnis und der Mißdeutung ausgesetzt und erschütterten dadurch
das Vertrauen auf den König. Unter feiner krankhaften Reizbarkeit hatten
auch Freunde und Vertraute zu leiden. Der religiöse Grundton feines
Wefens, der in den Worten ausklang: „Ich und mein Haus, wir wollen
dem Herrn dienen", stammte von feiner Mutter, der leidgeprüften Königin
Luise. Er war vermählt mit der Prinzessin Elisabeth von Bayern.
Zu feinen ersten Regierungshandlungen gehört der Straferlaß, die
Amnestie für die politischen Vergehen. Ernst Moritz Arndt erhielt seine
Professur in Bonn wieder, der Turnvater Jahn, Fritz Reuter und die
übrigen Opfer der Demagogenverfolgung die Freiheit.
Bedeutende Gelehrte, wie den Naturforscher Alexander von Hum-
boldt, die Sprachforscher Jakob und Wilhelm Grimm, die Gefchichts-
forscher Droyfen, Montmfen, Giefebrecht, den Geographen Ritter, den
Altertumsforscher Lepsius, den namhaftesten Kenner der altägyptifchen Ge¬
schichte, und viele andre wissenschaftlich bedeutende Männer berief er an
die preußischen Universitäten.
Baumeister, Maler und Bildhauer erhielten von ihm Anregung und
ehrenvolle Beschäftigung. Das Stammschloß feiner Familie, die Burg
Hohenzollern, das Schloß Marienburg in Westpreußen, den Sitz der
Hochmeister des Deutschen Ordens, ließ er wiederherstellen und legte
1842 den Grundstein zum Weiterbau des Cölner Domes. Der Baumeister
(Stüter erhielt den Auftrag, das Neue Museum zu bauen, das die
Sammlungen von Gegenständen, die auf die Kultur- und Kunstgeschichte
aller Volker und aller Zeiten Bezug haben, aufnehmen füllte. Der König