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B. Brandenburgisch-Preußische Geschichte.
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Trümmern; nur die deutschen Städte hatten einen gewissen Wohlstand bewahrt.
Überall fehlte es an Bewohnern. Das Landvolk hauste in verfallenen Hütten
und lebte besonders von Brei aus Roggenmehl, von Heringen und Branntwein,
dessen Genuß Männer und Frauen ergeben waren. Auf dem Lande gab es
weder Handwerker noch Arzte noch Apotheken. Schlechtes Vieh, unvollkommene
Ackergeräte, wüste Äcker, sumpfige Wiesen und ausgeholzte Wälder waren
besondere Merkmale des neu erworbenen Landes. Aber gerade deshalb wurde
Westpreußen „das Schoßkind" des Königs. Er rief zahlreiche Einwanderer in
das Land und unterstützte sie beim Bau ihrer Häuser und bei der Bestellung
ihrer Acker. Es entstanden blühende Dörfer, volkreiche Städte und fruchtbare
Felder, so daß der König seine Freude daran hatte. Dem Netzegebiet brachte
der neu erbaute Bromberger Kanal großen Nutzen. Bromberg entwickelte sich
in kurzer Zeit aus einem verwüsteten Flecken zu einer blühenden Stadt.
10. Die letzten Lebensjahre Friedrichs des Großen. In seinem Alter kam
Friedrich nur selten nach Berlin, wo er sich durch den Bau des Opernhauses und der
Domkirche ein bleibendes Denkmal gesetzt hatte. Er hielt sich vielmehr dauernd in
seinen neu erbauten Schlössern bei Potsdam, besonders in Sanssouci, auf. Hier ver¬
kehrte er viel mit gelehrten Männern und fand in der Pflege der Musik seine schönste
Erholung. Als die Gicht'seine rechte Hand gelähmt hatte, lernte er noch mit der linken
Hand schreiben. Trotzdem besorgte er bis kurz vor seinem Tode alle Geschäfte der
Regierung, denn er sagte: „Mein Leben ist auf der Neige; die Zeit, die ich noch habe,
muß ich benutzen. Sie gehört nicht mir, sondern dem Staate." 1786 starb er, tief be¬
trauert von seinem Volke und bewundert von Freund und Feind. Während seiner
Regierung war der Staat um 77000 qkm vergrößert worden und die Zahl der Be¬
wohner fast um 3 Millionen gewachsen.
VII. Friedrich Wilhelm II. (1786—1797).
1. Seine Eigenschaften und Bestrebungen. Weil Friedrich der Große
kinderlos starb, ging die Regierung des Landes auf seinen Neffen Friedrich
Wilhelm II. über. Ihm fehlten die Tatkraft, der Scharfblick, die Einfachheit und
die Sittenstrenge seines großen Vorgängers, so daß er das Wohl seiner Unter¬
tanen nicht nachhaltig zu fördern vermochte. Er hörte oft auf den Rat unwürdiger
Günstlinge, die nicht immer das Beste des Volkes im Auge hatten. Das lockere
Leben am Hofe erforderte große Geldsummen und war von verderblichem
Einfluß auf weite Volkskreise. Dennoch hat der König manches Gute geschaffen.
Mit Freuden wurde es begrüßt, daß er das Kaffee- und Tabaksmonopol ^Allein¬
verkauf durch den Staat] aufhob und die französischen Steuerbeamten entließ,
die unter dem Spottnamen „Kaffeeriecher" verhaßt waren. Während seiner
Regierung trat das „Allgemeine Landrecht" in Kraft. Zur Förderung des Ver¬
kehrs legte er die ersten Kunststraßen ^Chausseen] an. Um das Schulwesen zu
heben, richtete er das Oberschulkollegium ein und ordnete an, daß in den Schulen
für die Landleute außer Religion, Lesen, Schreiben und Rechnen auch Natur¬
lehre und Belehrung über vernünftige Ernährung und über Handfertigkeit
[§- B. Spinnen und Korbflechten] getrieben werden solle. Der König war ein