Full text: Handbuch der allgemeinen Weltgeschichte

Di« Kasten. 
Geschichte 
Aegyptens. 
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Verehrung aber genoß der Apis, ein schwarzer Stier mit weißem Fleck auf der 
Stirne. Er hatte seinen Sitz in Memphis im Tempel des Ptah, wo ihm die 
Priester kniend die Speise darreichten. Starb er, so trauerte das ganze Land; 
die Priester suchten dann einen neuen Apis, der im Triumphe nach Memphis ge¬ 
führt wurde. Die Seele des Menschen hielten die Aegypter für unsterblich; sie 
glaubten an eine Belohnung und Bestrafung in der Unterwelt. Die Seelen der 
Bösen haben außer den Höllenstrafeu auch noch die Wanderung durch Thierleiber 
zu fürchte», welche drei oder zehntausend Jahre dauert. Für die Todten trugen 
die Aegypter von allen Völkern die größte Sorgfalt; in unzerstörbaren Gräbern 
soll der Todte ruhen; den Leichnam suchen sie so lange als möglich zu erhalten. 
Daher nennen sie die Wohnungen der Lebendigen, sagt ein griechischer Schrift, 
steller, Herbergen, weil sie nur eine kurze Zeit darin wohnen, die Gräber der Ver¬ 
storbenen aber ewige Häuser, weil die Todteu in ihnen eine grenzenlose Zeit zu¬ 
bringen; auf die Erbauung der Häuser wenden sie daher wenige Mühe, die 
Gräber aber werden aus außerordentliche Weise ausgestattet. Die Leichname wur¬ 
den mit großer Sorgfalt einbalsamirt; man nahm die inneren leicht verweslichen 
Theile aus dem Körper, wusch ihn innen mit Palmwein und füllte ihn mit 
Myrrhen und anderen Spezereien, dann legte man ihn in Natrum, reinigte ihn 
nochmals, bestrich ihn mit Gummi und umwickelte ihn dann von oben bis unten 
mit vielen Byssosbinden. Die Särge waren von hartem Holze oder Granit, 
bei Reichen oft dreifach. In den Sarg legte man Gerälhe, Listen seiner Besitzungen, 
besonders aber eine Papyrosrolle, mit Gebeten, der Beschreibung der Bestattung 
und der Unterwelt, wo der Mensch belohnt oder bestraft wird, beschrieben. Tau¬ 
sende dieser Mumien.Särge sind erhalten und geben die genauesteKundederSitten nnd 
Anschauungen einer längst entschwundenen Zeit. 
Das ägyptische Volk war in Stände oder Kasten geschieden. Den obersten 
Stand bildeten die Priester, welche auch im Besitze der Wissenschaft und der gei¬ 
stigen Bildung waren. Die zweite Kaste war die der Krieger, denen ein Theil 
des Landes, als dessen Eigenthümer der König sich ansah, zugewiesen war. Die 
erwerbende Bevölkerung zerfiel in die Unterabteilungen der Ackerbauer, die von 
dem Lande, das sie inne hatten, dem König steuerten, der Kaufleute, der Hand¬ 
werker, der Hirten, welche letztere den verachtetsten Theil des Volkes ausmachten. 
Der König ging ans der Kriegerkaste hervor, war aber der Oberpriester des Landes. 
Seine Herrschaft war eine despotische. 
Als den Gründer des ältesten Staates in Aegypten nennt man MeneS (3000 
v. Chr. ?), den Erbauer von Memphis. Der Staat von Memphis dehnte seine 
Herrschaft über das Nilthal aus. Dann erhob sich um 2400, bald unabhängig von Mem¬ 
phis, der Staat vonTheben, der dann die Herrschaft überMemphis gewann. Der erste 
der gemeinsamen Herrscher ist Amenemha I., dessen Nachfolger Sesortosis die Grenzen 
seiner Macht nach Süden erweiterte, was seine Nachfolger fortsetzten. Amenemha III. 
legte den Moeris-See an und war der Erbauer des sogenannten Labyrinth. Um 
das Jahr 1821 steten nomadische Stämme semitischer Abkunft (Philister?) unter 
ihren Anführern, die man Hyksoö (Hirtenkönige) nannte, in Aegypten ein und 
eroberten das Land, in welchem sie 430 Jahre lang ihre Herrschaft behaupteten. 
Von ihnen befreite sich zuerst Oberägyptennach einem achtzigjährigen Kampfe 
wurden endlich die Hyksos ans ganz Aegypten vertrieben (1660—1580). Die 
Hauptstadt des neuen Reichs wurde Theben, das durch prachtvolle Bauten ver¬ 
größert und verschönert wurde. Die kriegerischen Könige erweiterten ihre Herrschaft
	        
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