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Nase wie gequetscht. _ Die Augen waren schiefgeschlitzt und stechend, die
Lippen aufgeworfen, die Backenknochen vorstehend, Schultern und Arme stark,
die Beine vom steten Reiten krumm und schwach. Sie trugen Kittel von
Leinen und Mausfellen und Hosen von Bocksfellen. Ihre Nahrung be¬
stand aus Wurzeln, Ungeziefer und rohem Fleisch, das sie unter dem Sattel
mürbe ritten. Sie wohnten in Zelten und wanderten zu Roß und auf
Karren hin und her. Mit ihren häßlichen aber ausdauernden Pferden schienen
sie wie zusammengewachsen. Ihr Charakter war aus Raubgier, Zer¬
störungswut, Grausamkeit und Schamlosigkeit zusammengesetzt. Sie hatten
weder einen Gott noch Götzen, weder Glauben noch Liebe, weder Treue noch
Gerechtigkeit. Im Kampfe stürzten sie blitzschnell mit Geheul auf den
Feind, schössen ihre Pfeile ab und flohen zum Schein. Plötzlich wandten sie
sich gegen die Verfolger, griffen zum Säbel, warfen dem Feinde Schlingen
über den Kopf und schleppten ihn hinter sich her.
2. Die Westgoten. Zuerst wurden die Alanen und Ostgoten im öst¬
lichen Rußland von den Hunnen verdrängt oder unterworfen. Die West¬
goten zogen sich über die Donau zurück und erhielten auf die Bitte ihres
Bischofs Ulfilas vom Kaiser Valens Wohnsitze in Thracien. Weil sie
aber von römischen Statthaltern bedrückt und überteuert wurden, so empörten
sie sich, schlugen das römische Heer bei Adrianopel und verbrannten den
todwunden Kaiser in einer Bauernhütte. In dieser Not rettete der Kaiser
Theodosius das Reich, indem er die Goten durch weise Behandlung be¬
ruhigte und sie als steuerfreie aber kriegspflichtige Bundesgenossen annahm.
Später stellte sich der junge, tatendurstige Alarich an die Spitze seiner
Goten, plünderte und verheerte Griechenland, brach dann in Italien ein und
forderte der bestürzten Weltstadt einen ungeheuren Tribut an Gold, Kleino¬
dien und Kleidern ab. Als die Gesandten ausriefen: „Was bleibt uns dann
noch?" antwortete der Sieger kalt: „Das Leben!" Als sie ihm mit der
großen Volkszahl Roms drohten, meinte er: „Je dichter das Gras, desto besser
zu mähen!" Als der elende Kaiser Honorius, der hinter Sümpfen in
Ravenna sich aushielt, den Vertrag nicht eingehen wollte, stürmte Alarich
Rom bei Nacht (410) und ließ es plündern, verschonte aber die Kirchen.
Alarich wollte hierauf nach ©teilten und Afrika, wurde aber in Unteritalien
im 34. Lebensjahre vom Tode ereilt. Seine trauernden Goten sollen ihn
in dem Bette des abgeleiteten Flusses Busento begraben haben. — Seine
Nachfolger führten die Goten zurück und gründeten zu beiden Seiten der
Pyrenäen das große Westgotenreich mit der Hauptstadt Tolosa, jetzt
Toulouse (spr. Tuluhs).
3. Vandalen und Angelsachsen. Die Vandalen gingen 429 unter
Geiser ich aus Spanien nach Nordafrika und gründeten da ein mächtiges
Reich mit der Hauptstadt Karthago. Bei der Belagerung von Hippo, nicht
weit von Karthago, starb darin der hl. Augustinus, der größte Kirchen¬
lehrer aller Jahrhunderte. Augustinus wurde zu Tegeste in Afrika geboren;
sein Vater war ein Heide, seine Mutter die hl. Monika. Schon als Knabe
machte er seiner Mutter durch seinen Leichtsinn viele Sorgen. In Karthago
studierte er fleißig allerlei Wissenschaften, wurde ein gewandter Redner und
suchte Ruhm vor der Welt. Leider verfiel er in Irrlehren. Seine Mutter
vergoß zahllose Tränen im Gebete über seine Verirrungen. Als er sich
in Mailand aufhielt, da traf Gottes Gnade sein Herz. Die Predigten des
hl. Ambrosius bewogen ihn zu dem Entschlüsse, sein Leben zu bessern und