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zwar in den Straßenkämpfen, wurde aber von dem friedliebenden Könige
zurückgezogen. Es wurde hierauf eine Nationalversammlung nach Berlin
einberufen, in der es aber so toll und wild zuging, daß sie zuletzt aufgelöst
werden mußte. Dagegen erhielt das Land am 31. Januar 1850 eine Ver¬
fassung, wonach alle Gesetze seitdem durch das Zusammenwirken der Re¬
gierung, des Abgeordnetenhauses und des Herrenhauses zustande
kommen.
3. Deutscher Einigungsversuch. Die Sehnsucht aller guten Deutschen
war auf ein einiges, starkes Deutschland gerichtet. Die deutsche National¬
versammlung in der Paulskirche zu Frankfurt a. M. wählte darum Friedrich
Wilhelm IV. zum deutschen Kaiser. Aber er lehnte die Krone ab, weil
sie ihm nicht von den Fürsten übertragen war. Jedoch versuchte er durch
den Reichstag in Erfurt eine festere Einigung des deutschen Reiches,
scheiterte aber damit an dem Widerstande mehrerer Staaten. Diese beschlossen
vielmehr die Wiederherstellung der Bundesversammlung. Preußen stand diesem
Beschlusse zuerst entgegen, trat aber später, durch die drohende Haltung Ru߬
lands genötigt, in dem Vertrage von Olmütz demselben 1851 bei. Ebenso
kläglich mißlang in Schleswig die Abschüttelung des Dänenjoches. Nach einem
günstigen Anfange wurden die Preußen gezwungen, die Schleswig-Holsteiner
ihrem Geschicke zu überlassen. Die in der Begeisterung gegründete deutsche
Flotte wurde meistbietend verkauft.
4. In Frankreich hatte sich inzwischen Louis Napoleon, ein Neffe
Napoleons I., zum Präsidenten der Republik aufgeschwungen, ja unter dem
Schrecken der Kanonen sich zum Kaiser wählen lassen (1852) mit der glän¬
zenden Lüge: „Das Kaiserreich ist der Friede!" Im Krimkriege demütigte
er als Bundesgenosse Englands und der Türkei nach der Eroberung Sebasto-
pols Rußland (1856). Im Bunde mit Sardinien entriß er 1859 die Lom¬
bardei den Österreichern und unterstützte den König von Sardinien, Viktor
Emanuel, sich zum Könige von Italien zu machen. Napoleon schien das
Schicksal Europas in den Händen zu haben.
Der edle Friedrich Wilhelm IV. fiel in eine schwere Krankheit. Nachdem
er 1858 seinem Bruder Wilhelm die Regentschaft übergeben hatte, erlöste
ihn am 2. Januar 1861 der Tod von seinen Leiden.
31. Kaiser Wilhelm I., der Gründer des deutschen Reiches
(1861-1888). Friedrich III.
1. Was uns an ihn erinnert. In jeder Schule hängt das Bild Kaiser
Wilhelms I. An jedem 22. März, seinem Geburtstage, und an jedem 9. März,
seinem Todestage, wird eine Gedenkfeier in den Schulen gehalten. Fast in
allen Städten stehen Siegesdenkmäler zur Erinnerung an die großen Siege
Wilhelms I. Darauf stehen meistens die Namen der Gefallenen. Besonders
hoch und stolz erhebt sich die Siegessäule in Berlin mit ihren vergoldeten
Kanonen. Das herrlichste Denkmal hat das deutsche Volk auf dem Nieder¬
walde bei Bingen am Rhein errichtet. Noch größer ist das auf dem Kysf-
häuserberge geworden. In allen Dörfern sind 1871 Siegeseichen gepflanzt,
die an Kaiser Wilhelms große Siege und die Wiedererrichtung des deutschen
Ruches erinnern sollen. Mancher Mann trägt als Auszeichnung das eiserne
Kreuz oder die Kriegsdenkmünze, weil er an den herrlichen Kämpfen
terlgenommen und sich durch besondere Tapferkeit hervorgetan hat. Noch