Full text: Die Geschichte des Mittelalters (Bd. 2)

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I. Deutschland vor der Völkerwanderung. 
einigung hervor; das Leben früherer Zeiten durchdrang sich mit dem germa¬ 
nischen zu einem neuen Ganzen, während die unvermischten Deutschen, die 
auf ihrem alten Boden geblieben waren, festhielten an der alten Art der 
Väter. Darüber wurden sich die Bewohner der verschiedenen Länder Europa's 
wiederum fremd, wurden verschiedene Nationen, deren jede ihren besondern 
Charakter erhielt. 
Unter mannichfaltigen Stürmen trennten sich die Nationen in verschie¬ 
dene Reiche, Deutschland aber hob sich bald unter allen mächtig empor. 
Die Kaiserwürde, hergestellt von Karl dem Großen, kam auf die Könige der 
Deutschen, und diese wurden, ohne Widerspruch, die ersten und zugleich die 
mächtigsten Fürsten der Christenheit, herrschend über das größte Reich 
Europa's. Die großen Fürsten dieses Reiches, Königen gleich, erhöhten nur 
den Glanz der kaiserlichen Krone, und schienen die sichersten Stützen des 
Thrones. Viele Könige waren des Kaisers Vasallen und rechneten es sid> 
zur Ehre, der ersten Nation der Welt anzugehören. Die ganze Christenheit 
wurde angesehen als Eine große Gemeinschaft, deren geistliches Haupt der 
Papst, deren weltliches aber der Kaiser sei. Diese Größe aber, dieser all¬ 
gemein eingeräumte Vorzug machte die Deutschen sicher, und die Sicherheit 
verleitete sie dann, Fürsten und Volk, nur dahin zu streben, sicher zu sein 
vor innerer Unterdrückung. Darüber sonderten sie sich ab von ihrem Kaiser: 
indem sie ihm aber die Macht nehmen wollten, ihnen ihre Freiheit zu 
rauben, entzogen sie ihm zugleich auch die Macht, die deutsche Kraft zu 
gebrauchen gegen den Uebermutb der Fremden, zerfielen dann in sich selbst, 
weil sie keinen Punkt hatten, in welchem sie sich so berührten, daß sie ihrer 
Stärke hätten inne werden können. 
2. Bis Religion der alten Deutschen. 
(Nach Karl Simrock, Handbuch der deutschen Mythologie, und I. W. Wolf, 
Die deutsche Götterlehre, mit Zusätzen vom Herausgeber.) 
Wahrscheinlich ist der Glaube unserer Väter vom Monotheismus aus¬ 
gegangen: denn in allen deutschen Zungen ist das höchste Wesen von je 
her mit dem Namen Gott benannt worden, der, ohne Artikel gebraucht, 
doch einen allgemeinen Sinn hatte. Die spätere Vielheit der Götter läßt 
sich aus dem verbundenen Gottesdienst verschiedener Völkerschaften und 
Stämme erklären, die, als sie zusammentraten, ihre. eigenthümlich ausgebil¬ 
deten Vorstellungen von dem höchsten Wesen nicht aufgeben wollten. Die 
bei jedem Stamme hergebrachten Götter wurden nun unter den altüblichen 
Namen neben einander gestellt und zu gemeinschaftlichen Gottheiten des 
neuen Gefammtvolkes ausgebildet, wobei ihr Wesen gegen einander abgegrenzt.
	        
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