43. Heinrich I.
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das Hauptbanner des Reiches, vor ihm wehte. Die Ungarn wagten sich bis
nahe an die Schlachtordnung des Königs: sobald sie aber seiner Nitterschaaren
ansichtig wurden, wandten sie sich zur Flucht, mit solcher Eile, daß, obwohl
man sie zwei Meilen verfolgte, doch wenige von ihnen gefangen oder nieder¬
gemacht wurden, ihr Lager aber erstürmte Heinrich und befreite dort alle
Gefangene. Es war der 15. März des I. 933, ein Freudentag für Viele;
nach ihm hat man, so lange Heinrich regierte, keinen Ungarn mehr auf
deutschem Boden gesehen. Als Vater des Vaterlandes begrüßten Heinrich
sein Heer und sein Volk. Weit hin verbreitete sich der Ruhm des großen
Sachsenkönigs, der zuerst die gefürchteten Ungarn geschlagen und verjagt hatte.
Und auch den letzten Feind des deutschen Namens sollte Heinrich's
Schwert noch treffen, die Dänen. Diese hatten längst die Grenzen über¬
schritten, welche einst Kaiser Karl ihrer Herrschaft gesteckt hatte. Nicht allein die
Grenzmark zwischen Eider, Treene und Schlei hatten sie in Besitz genommen,
sondern auch alles Land nördlich der Elbe mit Hülfe der Wenden an sich
gerissen und die fruchtbaren Gegenden des Holsteinerlandes mit Feuer und
Schwert verwüstet; die gesammte deutsche Bevölkerung, welche sich hier an¬
gesiedelt hatte, war über die Elbe gedrängt, und kaum fand man diesfeit des
breiten Stromes Schutz und Sicherheit vor den Räubereien der Feinde. Nur
allmählich gelang es, die Dänen hier zurückzuweisen, so daß die Sachsen in
ihre alten überelbischen Sitze zurückkehren konnten. So stellte Heinrich die alten
Grenzen des Reiches auch hier wieder her. Die Länder zwischen Eider, Treene
und Schlei, später die Mark Schleswig genannt, blieben dem deutschen
Reiche, bis Konrad II. beinahe 100 Jahre später das Land bis zur Eider
den Dänen abtrat. Wohl schien diese Abtretung durch die Verhältnisse geboten
— aber eine That des Segens war es nicht, das; er die Grenzen verrückte,
die Karl der Große gesteckt und Heinrich mit weiser Umsicht hergestellt hatte.
Heinrich war in den Kämpfen des Lebens gealtert und sein einst so
kräftiger Körper wurde gebrechlich. Im Herbst des I. 935 hielt er sich im
Harz auf, wo er gern der Jagdlust oblag. Hier traf ihn ein Schlaganfall,
der ihn der letzten Stunde mahnte und zu ordnen, was ihm in dieser Welt
zu ordnen blieb. Er hatte den Ehrgeiz seiner Söhne zu fürchten und die
Ansprüche, die sich aus ihrer verschiedenen Geburt herleiten ließen. Thankmar,
der älteste Sohn, war aus einer Ehe geboren, welche die Kirche nicht aner¬
kannt hatte; Otto, als der Vater noch Herzog war; des Königs Erst¬
geborener war sein dritter Sohn, Heinrich. Der König wählte Otto als den
Erstgeborenen aus seiner kirchlich anerkannten Ehe zum Nachfolger, in dem
er überdies einen höher strebenden Geist, einen kraftvolleren Sinn erkannte,
als in Heinrich, obwohl dieser der Mutter* Liebling war. Im Anfange des
1.936 kamen die Großen aus allen Theilen des Reiches zu Erfurt zusammen;
hier erschien vor ihnen zum letzten Male König Heinrich und empfahl ihnen
feinen Sohn Otto zum künftigen König. Nach reiflicher Ueberlegung erklärten
auch sie sich für Otto.