44' Otto I., der Große.
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behauptete sich in stolzer Selbständigkeit, bis er im zehnten Jahre der Re¬
gierung Otto's endlich genöthigt wurde, sich abermals der fremden Herrschaft
zu beugen. Schneller wurden die empörten wendischen Stämme des Nordens
unterworfen, gegen die der junge König selbst sogleich nach seiner Krönung
zu Felde zog. Wohl traute er sich selbst noch nicht Erfahrung genug zu,
um die schwere und gefährliche Kunst des Krieges zu üben; er übergab des¬
halb die Führung des Heeres, sobald er die Greuzen des Feindes über¬
schritten hatte, einem tapfern unb sehr verständigen Manne aus Sachsen¬
land, Hermann, bem jungem Sohne des Grafen Billnng. Dieser griff die
Feinde an, schlug sie auf's Haupt und beendete in kürzester Zeit den Krieg
(936). Abermals unterwarfen sich die Wenden und zahlten den gewohnten
Tribut. Der König ließ als Markgrafen über die Länder an ber untern
Elbe den wackern Hermann zurück und kehrte mit seinem siegreichen
Heere heim.
Doch schon in dem Frühjahr des folgenden Jahres stürmten aufs Neue
die Ungarn heran; auch sie wußten, Heinrich war nicht mehr, und wollten
die Tapferkeit des neuen Königs auf die Probe stellen. In unermeßlichen
Schaaren ergossen sie sich über Deutschlands Grenzen und zogen durch
Franken, um auf einem neuen Wege dann von Abend in Sachsen einzu¬
dringen. Aber schnell sammelte Otto sein Heer; ehe sie noch die Grenzen
Sachsens erreichten, stellte er sich ihnen entgegen, griff sie an und trieb sie
in die Flucht. Sie wandten sich darauf dem Westen zu, von Otto unab¬
lässig verfolgt, bis sie die Grenzen des deutschen Reiches verlassen hatten.
Ueber die Ebenen Frankreichs schweiften ihre Reiterschaaren bis zur Loire;
schrecklicher als je zuvor verheerten sie das arme Land, denn dort war Nie¬
mand, der, wie Heinrich und Otto, der Zerstörung hätte wehren können.
In den nächstfolgenden Jahren hatte die von Heinrich I. begründete
Einheit des Reiches noch manche schwere Prüfung zu bestehen durch eine
Reihe innerer Kämpfe des Königs, theils mit den Herzogen, unter benen
namentlich Giselbert von Lothringen (Otto's Schwager) sein schönes, reiches
Lanb zu einem eigenen Königreiche erheben wollte, wie es schon vor Zeiten
gewesen war, theils mit seinen eigenen Brüdern, die ebenfalls nach der
Krone strebten. In diesen Stürmen erprobte sich die Kraft des jungen
Königs, er verfocht nicht allein seine Stellung und den Glanz seiner Krone,
er verfocht nicht minder die Einheit des deutschen Vaterlandes, welche aus
diesen Kämpfen so gestählt hervorging, daß sie allen ferneren Angriffen zu
trotzen vermochte.
Noch immer schlossen sich alle gegen die Einheit des Reiches und die
königliche Gewalt gerichteten Bestrebungen vorzüglich an die Stellung des
HSrzogthums an. Der wiederholte Aufstand der Herzoge hatte dem Könige
gleich im Anfange seiner Regierung hinreichend gezeigt, daß eine starke
Reichsgewalt mit jener Fülle der Selbständigkeit, die Heinrich den Herzogen