Full text: Die Geschichte des Mittelalters (Bd. 2)

300 Zweiter Zeitraum des Mittelalters: 751-1096. 
rechtigkeit — Vieles freilich eine Folge der in starkem Wachsthum begriffenen 
allgemeinen Entsittlichung. Harün's Regierung war im Ganzen mehr glän¬ 
zend, als wirklich wohlthätig und folgenreich. Je mehr er dafür sorgte, die 
Einheit des Reiches kräftig gegen innere Empörungen zu schützen, desto un¬ 
begreiflicher ist der politische Mißgriff, dasselbe zwischen seinen Söhnen 
Am!n, Kasim (mit dem Beinamen Mutamin) und Mamün (einer Sclavin 
Sohn) zu theilen, deren gegenseitige Befehdung schon bei seinen Lebzeiten 
begann. Er bereute die Theilung, ohne sie rückgängig zu machen. Wie 
sein Hof selbst durch eine Gesandtschaft Karl's des Großen geehrt wurde, ist 
S. 152 berichtet worden. 
Nach Harün's Tod folgte ein gräuelvoller Bruderkrieg und bald, nach¬ 
dem der unbesonnene Schwelger Amin den Dolchstichen einiger Perser erlegen 
war, beherrschte der talentvolle Mamün (814-833) das Khalisenreich in 
der ganzen Ausdehnung, die es unter seinem Vater gehabt, denn Kasim 
wurde später entsetzt. Mehr als Harün hatte dieser liebenswürdige Fürst 
die Einheit seiner Staaten gegen innere Unruhen zu vertheidigen, und trotz 
aller Anstrengungen gelang es ihm nicht, dem Beginn der Unabhängigkeit 
einzelner Statthalter und dem Entstehen kleiner selbständiger Reiche in seiner 
ungeheuren Monarchie vorzubeugen. Die Dynastieen der Talibiden, Tahi- 
riden, Zejadiden erhoben sich, während die der Aglabiden und Jdrisiden 
(s. oben) sich befestigten. Die Jahre der Ruhe benutzte Mamün zur Ver- 
bessemng des politischen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Zustandes 
seiner Staaten. 
Der Handel, erleichtert und gefördert durch die Pilgerfahrten nach Mekka, 
verknüpfte den äußersten Osten vom Indus und Oxus mit dem Westen bis 
zum Atlantischen Meere. Bassora, am Zusammenfluß des Euphrats und 
Tigris, Damascus mit seinem prachtvollen Hof derOmaijaden, Bagdad, der 
reiche Sitz der Abbasiden, wurden zugleich die großen Handelsniederlagen. 
Ein gut eingerichtetes Postwesen verband die entferntesten Provinzen mit 
einander. Alle Hauptstädte des großen Reiches und unzählige kleine Städte 
und Flecken waren Sitze der Industrie und ihre Fabrikate wurden zu Waffer 
und zu Lande, durch Karawanen und auf Schiffen nach allen Küsten des 
großen arabischen und selbst des griechischen Reiches verschickt. Unter den ersten 
Abbasiden waren die Araber die größte Handelsnation der Welt, und zugleich 
erhoben sie sich zu Gelehrten, die in ihrem Zeitalter ihres Gleichen nicht 
hatten, während die ganze übrige Welt in Unwissenheit immer tiefer versank. 
In Bagdad las man mit dem hingehendsten Eifer Aristoteles und Plato, 
und rief, auf Euklid und Ptolemäus gestützt, das wissenschaftliche Studium der 
Mathematik und Astronomie ins Leben. Mit Hippokrates und Galenits an 
der Hand erforschte man die Geheimnisse der Natur. Auf die Schriften der 
Alten fußend, bereicherte man die Wissenschaften mit neuen Entdeckungen, 
sogar mit neuen Theilen. Mamün selbst unterhielt sich, besonders in frühe-
	        
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