318 Dritter Zeitraum des Mittelalters: 1096—1273.
22. Juli 1099 einstimmig den Herzog Gottfried von Lothringen zum Könige
von Jerusalem. Aber eine feierliche Salbung und Krönung fand nicht
Statt, denn der Herzog weigerte sich, an dem Orte, wo man dem Könige
der Ehren, dem Herrn des Himmels, nur Dornen um die Schläfe gewunden
habe, anmaßlich Zeichen und Titel irdischer. Größe anzunehmen. Deshalb
haben Viele, nur das Zeichen würdigend, Gottfried nicht den Königen von
Jerusalem beigezählt.
Die Eroberung der auch den Mohammedanern heiligen Stadt, hatte
unter diesen so allgemeinen Schrecken und so große Theilnahme veran¬
laßt, daß selbst viele sunnitische Türken zu dem Heere eilten, welches der
ägyptische Khalis Mosta zur Wiedereroberung Palästina's sammelte. Ueber
die Stärke dieses Heeres lauten die Nachrichten höchst widersprechend; wir
hören von 200,000, ja von 500,000 Mann; von „zahllosen Streitern" in
den Reihen des ägyptischen Heeres, dagegen von 10,000 und 20,000 auf
Seiten der Christen. Was die Beschaffenheit beider Heere betrifft, so war
Bewaffnung, Verpflegung, Pracht und Reichthum ohne Zweifel auf Seiten
der Aegyptier überwiegend, allein Einheit und innere Kraft fehlte diesem
Heere, wie den Seldschuken vor Antiochien; in demselben befanden sich
schwerbewaffnete Aethiopen, arabische Horden und seldschukische Schaaren
vereinigt. Es fehlte an allem Gemeingefühl, an jeglichem Enthusiasmus
für den Heerführer und seine Sache.
In der Schlacht bei Askalon, am 14. August 1099, standen die
Aethiopen, welche den Mittelpunkt der ägyptischen Schlachtreihe bildeten,
eine Zeitlang unerschütterlich; bald aber fiel Gottfried in ihre Flanke und
zugleich durchbrachen Tankred und Eustachius den Mittelpunkt der feindlichen
Linie. Nach dem Joppe'fchen Thore Askalon's, nicht weit vom Meere,
drängte mit wilder Gewalt die ganze Masse der Fliehenden; aber hart waren
die Christen hinter ihnen und an der Küste empfing sie bereits das Schwert
der Provenzalen; 2000 Mann sollen in dem Thore erstickt und zertreten
und mehr noch in den Meereswogen umgekommen sein. Das Lager fiel
mit allen Vorräthen, Schätzen und Kriegsgeräth in christliche Hände. Der
Sieg war in jeder Hinsicht entscheidend. Alle feindlichen Gewalten waren
gebrochen, der Boden war erobert, auf welchem ein christlicher Staat aufer¬
baut werden sollte. Seit dem Tage von Askalon begannen dir Einrichtungen,
alle Keime wurden gelegt, aus denen das Geschick dieser Fürstenthümer er¬
wachsen ist. Doch der innere Zustand des Reiches ist durch den Mangel
beglaubigter Nachrichten unseren Blicken entzogen, da der bald (18. Juli
1100) erfolgte Tod des Herzogs den Berichterstattern Lust oder Stoff zu
weiteren Mittheilungen benommen hat. Unter seinem Bruder und Nach¬
folger, Balduin I., hob sich die Macht des Reiches von Jahr zu Jahr.
Außer seiner persönlichen Thätigkeit kann man als allgemeine Ursachen
davon den steten Zufluß abendländischer Pilger, den Beistand der italieni-