Full text: Die Geschichte des Mittelalters (Bd. 2)

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Dritter Zeitraum des Mittelalters: 1096—1273. 
die Klänge des neu erwachten Minnegesanges: in zarten Liedern, die sich 
dem Schönsten anreihen, was unsere mittelalterliche Lyrik geschaffen hat, preis't 
er die Geliebte, die er weniger missen möchte als seine Krone. Aber früh 
genug entwand er sein Herz den Banden der Minne, er sann hinfort auf 
die Schöpfung eines Weltreiches. Gleichgültig gegen alle Vergnügungen 
der Sinne, beherrschte ihn nur eine einzige Lust und Leidenschaft, die zu 
herrschen. Sie bestimmte sein ganzes Thun, seine guten wie seine bösen 
Eigenschaften. Was ihm an Kriegserfahrung und persönlichem Heldenmuth 
abging, das ersetzte er durch gewandte und umsichtige Führung der Geschäfte 
und durch den raschen und sichern Blick seines Verstandes, dem die Gabe 
natürlicher Beredsamkeit und eine für seine Zeit ungewöhnlich feine und ge¬ 
lehrte Bildung zu Hülfe kam. Unverrückten Auges auf sein Ziel blickend, 
war er oft wenig bedenklich in der Wahl seiner Mittel. Unnöthige Groß- 
muth verschmähte er, Milde und Erbarmen war seinem Sinne fremd, wenn 
es galt, den gefährlichen Gegner zu strafen und zu schrecken. Verrath und 
Empörung gegenüber wurde die Strafe zur Rache, und vor keiner Grau¬ 
samkeit bebte er dann zurück. Hart, ja, gewaltig gegen die Fürsten und 
Lehnsherren, war er beliebt bei Volk und Ritterschaft: es freute sich der 
Unterdrückte seiner strengen Gerechtigkeitspflege, der Niedrige seiner Leut¬ 
seligkeit, der Arme seiner reichen Gaben, alle aber des steigenden Ansehens, 
das er dem Reiche im In- und Auslande zu verschaffen und zu sichern 
wußte. Das war der Mann, der, kaum 25 Jahre alt, die Zügel ergriff, um 
die Völker und Länder von der Ostsee bis zum Aetna zu lenken. 
Aber noch durfte er dieses Reich nicht sein nennen. In Palermo hatte 
man des Eides vergessen, der das Volk an Heinrich band, und eine nationale 
(antideutsche) Partei hatte zwei Monate nach König Wilhelm's II. Tode den 
Tattcred*), einen natürlichen Sohn von Constantia's früh verstorbenem 
Bruder Roger, als den Nächsten vom königlichen Geschlechte, auf den norman- 
*) Tarieret», Graf b. Hauteville. 
Robert Guiscard, Roger I„ 
Herzog von Apulien, f 1085. Graf von Sieilien, f 1101. 
Roger, t Uli. 1) Roger ü., 
Wilbelm ^ 1127 @rof b- Sicilien 1101, Herzog v. Apulien 
1127, König beider Sicilien 1130—1154. 
Roger, 2) Wilhelm I. (der Böse), Constantia, ' 
Herzog von Apulien. f 1166. Gemahl 6) Heinrich VI. 
4)Tancred,nat.Sohn, 3) Wilhelm II. (der Gute), 7) Friedrich II., 
reg. 1189 — 1194. f 1189. f 1250. 
Roger, f 1194. 5) Wilhelm Hl., 8) Konrad IV., 9) Manfr'ed^ 
gefangen 1194. f 1254. f 1266. 
10) Konradin, Constantia, 
t 1268. Gemahl 11) Peter III. von 
Aragonien.
	        
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