82. Heinrich VI.
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Furcht und Schrecken. Einige Tage nach der Krönung berief der König
einen sicilischen Reichstag oder vielmehr Gerichtshof, wie es hieß, wegen
einer durch einen Mönch entdeckten Verschwörung des Adels gegen sein
Leben und gegen die deutsche Herrschaft. Briefe wurden vorgelegt, welche
die Schuld vieler Bischöfe, Grafen und Edlen beweisen sollten; diese hielten
Einige für echt, Andere für falsch und untergeschoben. Bis auf den heutigen
Tag hat man viel von der unmenschlichen, empörenden Grausamkeit erzählt,
mit welcher Heinrich VI. die heilige Weihnachtszeit 1194 in ein Blutfest
verwandelt habe, und ein Geschichtschreiber hat von dem andern sorglos die
Schilderung der Todesqualen, mit welchen die Anhänger Tancred's gemartert
worden, entlehnt und weiter ausgemalt. Ist doch von Allem, was man von
Heinrich VI. weiß, nichts so weltbekannt, und wird doch selbst bei Zuge-
ständniß seiner großen Eigenschaften nichts so beharrlich als der Fluch seines
Namens hervorgehoben, wie, daß er mit unsinniger, blutdürstiger Grausam¬
keit gegen Volk und Adel in ©teilten gewüthet habe. Dennoch sind jene
Schilderungen aus werthlosen oder durch Gehässigkeit und Willkür der
Schriftsteller getrübten Quellen geflossen. Heinrich VI. hat die Magnaten
des Reichs und die Glieder der königlichen Familie einfach durch Verbannung
gestraft; sie wurden zuerst nach Apulien geschafft, von da nach Deutschland
dem Kaiser vorausgeschickt. Im Nonnenkloster Hohenburg im Elsaß verlebten
Tancred's Witwe, Sibylla, und ihre Töchter einsame Jahre, bis die gebiete¬
rische Mahnung Jnnocenz' III. nach dem Tode Heinrich's VI. ihnen die
Freiheit und die Heimat wiedergab. Der junge Wilhelm III. lebte getrennt
von ihnen aus der Burg Hohenems, nahe dem Bodensee, und starb daselbst
(als Mönch?) schon nach wenigen Jahren. Der Erzbischof von Salerno und
die Barone blieben auf Trifels, in denselben Räumen, die Richard Löwen¬
herz vor nicht langer Zeit verlassen hatte. Diese mehrjährige Gefangenschaft
war eine, freilich harte, Nothwendigkeit, wenn die deutsche Herrschaft in St¬
ellten Bestand und der Kaiser, während er in Deutschland verweilte, für die
Ruhe im fernen Süden Bürgschaft haben sollte.
Um die Italiener mit der neuen Herrschaft zu versöhnen, übertrug er
die Regierung des statischen Reiches feiner Gemahlin Constantia, als der
angestammten Fürstin des Landes. Diese gebar ihm am zweiten Weihnachts¬
tage 1194 auch den Sohn, aus den xr die eroberte Krone vererben konnte,
den spätern Kaiser Friedrich II., dem das sicilische Reich nicht nur durch
die Waffen seines Vaters, sondern auch als Erbe der Mutter gehörte. Mit
diesem Ereigniß erreichte das Glück Heinrich's VI. seinen Höhepunkt. Für
alle Pläne gewann er weitere Ausschau, sicherere Hoffnung auf Gedeihen
und gesteigerte Thatkraft zur Ausführung, seit er einem Sohne das Werk,
welches ein Menschenleben vielleicht kaum bewältigte, zur Vollendung
überlassen konnte.
Auch diesseit der Alpen schien jetzt den Kaiser das Glück für den Muth