Full text: Die Geschichte des Mittelalters (Bd. 2)

86. Hermann von Salza, Hochmeister des Deutschen Ordens. 429 
obersten Meister der Deutschen Brüder erkoren ward. Es war die große Zeit, 
in welcher Kaiser Heinrich VI., Friedrich II., Manfred, Konradin und 
Andere aus königlichem Geblüte als Siebter glänzten, in welcher die Fürsten¬ 
höfe minder durch eitlen Prunk und Tand, als durch die Liebe zur Dicht¬ 
kunst und dem Gesänge hervorragten und besonders derjenige der Land¬ 
grafen von Thüringen, an welchem man den Dichterkrieg auf der Wartburg 
vernahm, wo fort und fort sich eine Menge deutscher Edelknaben zusammen¬ 
fand, um feine Sitte und Ritterdienst zu erlernen, und wo die Feier großer 
Thaten im Munde der Sänger auch die Lust uud den Durst nach großen 
Thaten im Leben in der jugendlichen Brust erweckte. 
In solchen Umgebungen, in dem sangreichen Thüringen, war Hermann 
von Salza aufgewachsen. Keiner vermag zu sagen, welche Wirkungen in 
feinem jugendlichen Geiste die Anklänge der Ruhmgesänge auf ritterliche 
Könige, Fürsten und Helden, welchen Einfluß das Zusammensein mit den 
ersten Rittern seines Landes auf seine Bildung, und welche Anregung die 
Nähe gefeierter Helden und Sieger beim Turniere und im Ritterfpiele, die 
man zur Zeit in Thüringen hielt, auf seinen Charakter, auf sein Wollen 
und Streben gehabt haben mögen; — vielleicht stammte daher der ritterliche 
Edelmuth, die adlige Größe in That und Gesinnung, die reine ritterliche 
Sittlichkeit, die Hoheit aller seiner Bestrebungen, der jugendliche Feuereifer 
im Edlen und Erhabenen und daneben das feste und männliche Verharren 
in seinen Entwürfen, die stille Bedächtigkeit in seinen Plänen, die ruhige 
Entschlossenheit in Gefahr, die kluge Mäßigung im Glücke, die große Kunst, 
die Menschen leicht für seine Zwecke und Bestrebungen zu gewinnen, seine 
reiche Erfahrung und ungemeine Gewandtheit in dem Weltleben und die 
Geschmeidigkeit im Benehmen, durch welche er sich den Kaiser, den Papst 
und die Fürsten zu vertrauensvollen Freunden gewann. 
Nachdem er bei dem unglücklichen deutschen Kreuzzuge, der 1218 seine 
Richtung nach Aegypten nahm, selbst unter den Geiseln gewesen war, welche 
beim Waffenstillstände dem Sultan gestellt werden mußten, beredete er, 
gleichzeitig mit dem Papste, den Kaiser Friedrich II. zu einem neuen Zuge 
zur Wiedereroberung des heiligen Grabes und des Mutterhauses seines Or¬ 
dens. Noch einmal schiffte er nach Accon hinüber (1223), um den kaiserlichen 
Kreuzzug, auf den er seine schönste Hoffnung setzte, vorzubereiten. Nach 
Deutschland zurückgekehrt, zog er von der Donau bis zur Elbe umher, 
überall die Fürsten und Ordensbrüder zum heiligen Werke zu spornen. In 
Vereinigung mit dem Papste suchte er die Ehe Friedrich's mit der Tochter 
des Königs von Jerusalem zu Stande zu bringen, um ihn zum Zuge an¬ 
zutreiben. Als der Bruch zwischen Papst und Kaiser unabwendbar schien, 
da einigten sich Beide, den biedern Ordensmeister als Schiedsrichter anzurufen. 
Vergebens suchte Hermann das bedenkliche Amt abzulehnen. Er entschied 
zu Gunsten des Papstes, der damals den Deutschrittern alle die Freiheiten
	        
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