Full text: Die Geschichte des Mittelalters (Bd. 2)

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TT. Die Völkerwanderung. 
Jllyricum zu entreißen und versprach dem Alarich für seine Hülfe eine be¬ 
deutende Summe. Als nun Radagais in Italien einfiel, ward diese Unter¬ 
nehmung aufgegeben. Alarich aber verlangte als Ersatz für die Unkosten 
der Rüstungen gegen Jllyrien 4000 Pfund Gold. Lange weigerte sich der 
Senat in Rom, der jetzt Krieg einem schimpflichen Frieden vorziehen wollte, 
diese Summe zu bezahlen, so sehr auch Stilicho zu Gunsten seines Freundes 
sprach und die Sache nicht als eine Bezahlung des Tributs, sondern als Er¬ 
füllung des Versprechens für geleistete Dienste darstellte. Man sah Stilicho 
als den Verbündeten Alarich's und den Verräther des Landes an, das er 
schon zwei Mal durch sein Kriegstalent gerettet hatte. Bald fanden seine 
Feinde hinlänglichen Vorwand, des Ministers Treue dem Kaiser verdächtig 
zu machen. So wurde der Mann, der allein das Reich noch hätte retten 
können, durch die Ränke seiner Feinde gestürzt: Honorius gab die Einwilligung 
zum Morde des Ministers. 
Noch zeigte sich der Gotbenkönig Anfangs mäßig in seinen Forderungen: 
er will den Frieden schließen, wenn man ihm die nicht übermäßige Summe, 
welche er vertragsmäßig verlangt, und gegenseitige Auswechslung der Geiseln 
zugesteht. Er macht sogar das Anerbieten, seine Truppen nach Pannonien" 
zurückzuführen. Allein der Hof zu Ravenna, gar nicht bekannt mit der Lage 
der Dinge, hält die großmüthigen Anerbietungen Alarich's für Schwäche und 
schlägt ihm daher alle Forderungen ab. Dieser aber setzte (408) über den 
Po bei Eremona und zog über Bologna und die Flaminische Straße 
vor die Mauern Roms. Alle die barbarischen Söldner, Heerführer, Beamten, 
Abenteurer, die zu der unterdrückten Partei des ermordeten Stilicho gehörten, 
fielen ihm in Masse zu. Er legte seine Heerhaufen vor die Hauptthore und 
schnitt der Stadt alle Zufuhr ab. Hunger und Pest begannen die Straßen 
mit Leichen zu bedecken, obgleich die edeln Frauen ihr Geschmeide in kaum 
erschwingliches Brod verwandelten, um die Noth des Volkes zu erleichtern. 
Endlich schickten die Römer Gesandte in das Lager des Königs, welche im 
Namen des Senates erklärten: das Volk, an die Waffen gewöhnt, sei selbst 
zur Schlacht bereit, wenn er fortfahre, durch unbillige Bedingungen es auf's 
Aeußerste zu treiben. „Das Heu/' entgegnete der Gothe mit spöttischer Ver¬ 
achtung, „wird um so leichter gemäht, je dichter es ist," und alle, die um 
ihn waren, brachen in ein schallendes Gelächter aus. Er verlangte sodann 
mit dem Uebermuthe des Siegers für seinen Abzug die Auslieferung aller 
Kostbarkeiten der Stadt an Gold und Geräthen und aller Sclaven barbarischer 
Abkunft. Als ihn einer der erschreckten Gesandten fragte, was er denn in 
Rom übrig zu lassen gedenke, antwortet? er kurz: die Seelen! Mit diesem 
Bescheid kehrten die Gesandten zum Senate zurück. Einer zweiten und drin¬ 
genderen Gesandtschaft erklärte sich der König mit dem Lösegelde von 5000 
Pfund Gold, 30,000 Pfund Silber zufrieden, und verlangte außerdem 3000 
Purpur- und 4000 seidene Gewänder, dazu 3000 Pfund Pfeifer, d. H.
	        
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