Full text: Die Geschichte des Mittelalters (Bd. 2)

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II. Die Völkerwanderung. 
das grausige Schlachtfeld beleuchtete, welches das Blut von Hunderttausenden 
überschwemmte, bemerkte Attila mit Schrecken seinen ungeheuren Verlust, und 
obwohl auch die Römer und ihre Bundesgenossen nicht viel weniger Leute 
mochten verloren haben, so schrieben sich AAius und Thorismund-, der älteste Sohn 
des gefallenen Westgothenkönigs, doch den Sieg zu, da Attila, allzu sehr geschwächt, 
nicht wagte, sein stark befestigtes Lager zu verlassen. Dieses kluge Benehmen 
des Hunnenkönigs für äußerste Verzweiflung und Furcht haltend, machten 
sie auf das Lager einen Sturm. Attila hatte für den schlimmsten Fall einen 
Scheiterhaufen von Pferdesätteln errichten lassen und wollte in dessen Flam- 
men einer schimpflichen Gefangennehmung entgehen, als es den Anstrengungen 
seiner Hunnen noch gelang, den Sturm auf das Lager glücklich abzuschlagen. 
Attila ging mit dem Ueberreste seines Heeres eiligst über den Rhein 
zurück; Aetius aber sammelte die reichen Schätze auf dem Schlachtfelde und 
im Lager, welche die Hunnen bei ihrer schleunigen Flucht zurückgelassen 
hatten. Wie wenig klug es war, Attila abziehen zu lassen, zeigte sich bald, 
denn schon im folgenden Jahre (452) hatte er wieder ein so großes Heer 
zusammengezogen, daß er es wagte, über die unbesetzten Alpenpässe verhee¬ 
rend in Italien einzufallen. Mit der Forderung, ihm die Honoria, die 
Schwester des Kaisers Valentinian, früher als Gemahlin hatte 
untragen-lassen, und einen Theil des Reiches, als die ihr angehörige Mit¬ 
gift, herauszugeben, zog er vorwärts, zerstörte Aquileja und bemächtigte sich der 
Stadt Mailand. Ganz Italien zitterte, da der erste römische Kriegsheld, 
Aetrns, mit seinem schwachen Heere nicht im Felde dem Feinde gegenüber 
zu erscheinen wagte. Die Bewohner der Gegenden, die sein Marsch berührte, 
flüchteten sich in unzugängliche Gebirge oder auf nahe gelegene Inseln, 
und gaben dadurch neuen Städten (Venedig) den Ursprung.- Schon rückte 
Attila's Heer gegen Rom vor und keine Adische Macht schien die Stadt 
retten zu tourten: da zog Papst Leo in einer Procefsion dem Hunnenkönige 
entgegen, und der Heide ließ sich von bem Hirten der Christenheit zum Rück¬ 
züge bewegen, f Ein Zeitgenosse (Jdatius) schreibt aber den Rückzug Attila's 
aus Italien nicht dem Erfolge einer Gesandtschaft zu, sondern der Verminde¬ 
rung des Heeres, veranlaßt durch Mangel an Lebensrnitteln und durch 
Krankheiten, welche das ungewohnte Klima erzeugte. Auch die Truppen, 
welche der oströmische Kaiser Marcian schickte, hätten Attila in mehreren 
Treffen so sehr geschwächt, daß er endlich Italien hätte verlassen müssen, um 
nicht gänzlich aufgerieben zu werden^) Er kehrte darauf in fein Land zurück, 
wo er bald nachher plötzlich starb (453). Nach feinem Tode zertrümmerte 
ein Sieg der Gepiden in Pannonien über feine unfähigen und uneinigen 
Söhne das Reich; die bisher den Hunnen unterworfenen Völker drängten 
sie nach den Steppen am Schwarzen Meere zurück und stifteten eigene Reiche, 
so die Gepiden in Dacien, dem bisherigen Hauptsitze der Hunnen, die Oft- 
gotben (mit Genehmigung der Römer) in Pannonien.
	        
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