Full text: Die Geschichte des Mittelalters (Bd. 2)

16. Belisar. 
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nischen Fürsten, Leutharis und Bntilin, welche mit einem Heere von 75,000 
Mann von Franken, Alemannen und Burgundern in Italien einbrachen, 
wobei es freilich zunächst auf einen Raubzug abgesehen war. Während 
Leutharis mit den zusammengeplünderten Schätzen bald in die Heimat 
zurückkehrte, ward sein Bruder Butilin, dem man die Krone von Italien 
angeboten hatte, mit seinem ganzen Heere von Narses in einem letzten 
Kampfe vernichtet. Das furchtbar verödete Italien wurde wieder römische 
Provinz und von Ravenna aus durch einen kaiserlichen Statthalter verwaltet, 
der späterhin den Titel „Exarch" führte. 
Belisar war nach seiner Rückkehr aus Italien zum Oberfeldherrn fin¬ 
den Orient ernannt worden; aber Justinian behielt ihn in Constantinopel, 
weil er ihn wegen seines großen Einflusses und seiner Reichthümer fürchtete. 
Noch in den letzten Jahren seines Lebens fand der greife Feldherr eine Ge¬ 
legenheit, dem Kaiser seine Treue zu beweisen. Wilde Barbarenschwärme 
drangen (559) über die Donau durch Thracien bis zum Engpaß von Ther- 
mopylä; der Hauptschwarm aber rückte gerade auf Constantinopel los. Da 
raffte Belisar in der Eile ein Heer zusammen, trieb die Barbaren über die 
Donau zurück, und Constantinopel war gerettet. So große Verdienste er sich 
auch dadurch noch in seinem hohen Alter um den Kaiser erwarb, so mußte 
er es doch noch erleben, daß er der Theilnahme an einer Verschwörung gegen 
den Kaiser beschuldigt wurde. Der vielgeprüfte Greis hielt es unter seiner 
Würde, sich zu verantworten, und der Kaiser entsetzte ihn aller seiner Ehren 
und ließ ihn in feiner Wohnung gefangen halten. Freilich erkannte Justinian 
bald sein Unrecht, und schon nach einem halben Jahre wurde Belisar in 
alle seine Würden wieder eingesetzt; aber der Schmerz über so schmähliche 
Verkennung hatte dem Greise das Herz gebrochen, und schon acht Monate 
später starb er (565). 
Spätere Schriftsteller und Dichter haben die Geschichte der letzten Schick¬ 
sale Belisar's vielfach ausgeschmückt-und erzählt, als Belisar in Ungnade 
gefallen, habe er, ein hölzernes Becken in der Hand, an einem öffentlichen 
Platze von Constantinopel die Vorübergehenden angefleht: „Gebt dem Belisar, 
den die Tugend erhoben und der Neid geblendet hat, ein Almosen!" 
Diese unverbürgte Nachricht, welche kein älterer Schriftsteller erwähnt, hat 
dann später die Erfindung der Geschichte veranlaßt, auf Befehl Justinian's 
feien dem Belisar die Augen ausgestochen worden, und von einem Knaben 
geleitet, habe der alte blinde Mann in den Straßen von Constantinopel 
sein Brod erbettelt.
	        
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