Full text: Die Geschichte der neuern Zeit (Bd. 3)

47. Ludwig's XIV. Selbstregierung. Colbert. 289 
Die Vermehrung der Einkünfte machte es Colbert möglich, die französische 
Kriegsmarine wiederherzustellen oder vielmehr neu zu erschaffen und zu 
einer Stärke zu erheben, welche sie später nie wieder erreicht hat. See- 
Arsenale wurden in Brest, Rochesort, Toulon, Cette, Havre und Dünkirchen 
angelegt, der von Richelieu erbaute Kriegshafen zu Brest vergrößert und 
Toulon zum Kriegshafen umgeschaffen. Frankreichs Marine stand zuletzt 
nicht bloß der von Holland und England gleich, sondern schien beiden 
zusammen gewachsen. 
So umsaffend das Departement Colbert's und so groß seine Thätigkeit 
für alle Theile desselben war, so hat er sich dennoch auch um die Rechts¬ 
pflege große Verdienste erworben. Bei der großen Mannigfaltigkeit der in 
Frankreich geltenden Rechte, des römischen Rechtes und der Provinciellen und 
localen Gewohnheitsrechte, und bei dem häufigen Widerspruch zwischen den 
Entscheidungen der Gerichtshöfe über dieselben Streitsachen hatte man schon 
früher daran gedacht, im ganzen Reiche ein gleichmäßiges Verfahren einzu¬ 
führen. Colbert brachte diesen Gedanken zur Ausführung, indem er ihn 
mit seiner gewöhnlichen Energie ergriff. Im I. 1667 ward die sogenannte 
Ordonnance civile vollendet, welche, ohne die Grundsätze des Rechts zu 
ändern, das gerichtliche Verfahren in bürgerlichen Sachen regelte, 1669 
durch eine zweite Verordnung vervollständigt wurde und bis zur französischen 
Revolution in Geltung blieb. Ihr folgte 1670 die Ordonnance criminelle, 
welche das Verfahren in peinlichen Sachen feststellte, jedoch das bisherige 
übermäßig strenge Strassystem nicht milderte, weil dieses den Ansichten der 
Zeit entsprach. 
Durch die großartigen Erfolge seiner ersten Zeit und durch die uner¬ 
hörteste Schmeichelei verführt, schrieb Ludwig XIV. Alles sich selbst zu, 
glaubte keines Rathes, nur ausführender Diener zu bedürfen. In dieser 
Ueberhebung wählte er fast absichtlich unbedeutende Leute. Männer von 
hervorragendem Geist, von überlegener Einsicht und Selbstgefühl waren ihm 
in der spätern Zeit zuwider, und dabei hielt er eifersüchtig auf die Vor¬ 
trefflichkeit seiner Auswahl. Auf die frühere Generation großer Staats¬ 
männer und Feldherren folgten unfähige Günstlinge. Dadurch hat er großem 
theils das Unglück seiner letzten Jahre verschuldet. Den Marschall Villeroy 
tröstete er nach der Schlacht von Ramillies: „Wir sind alt, Herr Marschall, 
das Glück verläßt uns". Daß er sein bestes Heer einem Unfähigen anver¬ 
traut, bedachte er nicht. Eine Zeit lang wirkte noch die wohlgeordnete Maschi¬ 
nerie Colbert's und Louvois' fort; nach den Niederlagen von Höchstädt, 
Turin und Ramillies wurden die Armeen in außerordentlich kurzer Zeit 
wieder hergestellt und neu ausgerüstet. Aber allmählich versagte Alles. 
Die Truppen waren ohne Sold, Unterhalt und Waffen, die Finanzen völlig 
zerrüttet, das Land in unsäglichem Elend, und endlich rettete ihn nur der 
Umschwung der Parteien in England vor gänzlichem Verderben. Aber die 
Pütz, Histor. Darstell, u. Charakteristiken. III. 2. Aufl. 19
	        
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