Full text: Die Geschichte der neuern Zeit (Bd. 3)

79. Die erste Theilung Polens. 
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tag durch sein liberum veto und, was das Schlimmste war, er hielt sich in 
seiner souverainen Unabhängigkeit auch für befugt, mit einer fremden Nachbar¬ 
macht Bündnisse zu schließen und Subsidien von ihr zu beziehen. Im alten 
deutschen Reiche gab es 300, im alten Polen 200,000 souveraine Staaten. 
So wurde die Einmischung der Fremden permanent, und seit der Mitte des 
17. Jahrhdrts. tauchten mindestens sechs Theilungspläne auf. Bei zwei 
derselben waren die polnischen Könige selbst mit im Complott, um sich durch 
Hingabe einiger Provinzen die Hülfe der Fremden zur Herstellung der Königs¬ 
macht im Reste zu erkaufen. Dazu verwickelte man sich durch religiöse 
Unduldsamkeit gegen die Dissidenten aller Bekenntnisse in langwierige, 
unheilvolle Kämpfe mit Rußland und Schweden: Livland ging an Schweden 
verloren, Klein-Rußland trat in siegreicher Erhebung unter die Hoheit des 
Zaren, für Ostpreußen schüttelte 1657 der große Kurfürst Friedrich Wilhelm 
von Brandenburg die polnische Lehnshoheit ab. Höchst wahrscheinlich wäre 
es schon damals zu einer Zersplitterung des innerlich verfaulten und zer¬ 
fallenen Staates (vergl. Nr. 59) gekommen, wäre nicht Rußland unter Peter 
dem Großen in rascher Entfaltung so stark geworden, daß es ganz Polen 
unter seinen alleinigen Schutz nehmen konnte. 
Während des großen nordischen Krieges wurde der polnische König 
August JE. nur durch russische Hülfe auf seinem Throne erhalten; sein Nach¬ 
folger August III. wurde unter dem Schutze russischer Bayonette gewählt. 
Der russische Gesandte in Warschau war der allmächtige Lenker der polnischen 
Politik, und ein großer Theil der polnischen Edelleute stand fortwährend in 
russischem Solde. Nach dem Tode August's III. wollte Katharina II., um 
den scheinbar fortbestehenden polnischen Staat ganz ihren Zwecken dienstbar 
zu machen, keinen fremden Prinzen auf dem polnischen Throne zulassen, 
sondern einen einheimischen Edelmann aus der Zahl jener russischen Söldlinge 
und erkor dazu ihren ehemaligen Liebhaber Stanislaus Poniatowsku 
Ein weiteres Begehren entsprang ihr unmittelbar aus ihrer damaligen 
eigenen Stellung in Rußland. Sie hatte ihren kaiserlichen Gemahl (Peter III.) 
gestürzt, ihren Sohn (Paul) von der Nachfolge ausgeschlossen und ohne irgend 
einen Rechtstitel sich selbst auf den Thron geschwungen. So war in den 
ersten Jahren die Sicherheit ihrer Herrschaft äußerst zweifelhaft. Das nächste 
Mittel zur Popularität, glänzender Kriegsruhm, war ihr für den Augenblick 
versagt, da Rußland nach den Anstrengungen des siebenjährigen Krieges 
schlechterdings der Ruhe bedurfte. Um so dringender wünschte sie, sonst 
etwas höchst Volksthümliches zu thun, und nach der Gesinnung des russischen 
Volkes, bei dem die Anschauungen von Nation, Staat und Kirche zusammen¬ 
fallen, konnte sie nichts Wirksameres thun, als sich der griechischen Katholiken 
im polnischen Reiche anzunehmen. Der Fanatismus der polnischen Machthaber 
hatte erst in den letzten Jahrzehnten die Rechte der Dissidenten aufs Neue 
durch harte Verfügungen beschränkt und theilweise vernichtet. Es gelang
	        
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