Full text: Die Geschichte der neuern Zeit (Bd. 3)

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Dritter Zeitraum: 1789—1815. 
kleinen Lande beliebte Herzog wollte den deutlichen Wink, in welchem Sinne 
er wählen sollte, nicht verstehen und erklärte, unter allen Bedingungen in 
dem Lande bleiben zu wollen, in dem seine Vorfahren seit fast tausend 
Jahren gewaltet hätten. Darauf erschienen französische Beamte in Olden¬ 
burg, kündigten ihm an, daß sein Land bereits dem französischen Kaiserreiche 
einverleibt sei, und richteten eine französische Verwaltung ein. — Diese nord¬ 
deutschen Reunionen bezeichnen den Höhepunkt der herrschenden Willkür und 
den äußersten Grad der allgemeinen Rechtlosigkeit; aber sie waren auch der 
letzte Act dieser Art. 
Nach sechs Jahren seit der Kaiserkrönung fand sich Napoleon auf dem 
Gipfel einer Macht, wie sie bis dahin kein Fürst der Welt besessen hatte. 
Es war ihm gelungen, sich und seinen Plänen alle Staaten des Festlandes 
dienstbar zu machen, einen nach dem andern zu besiegen und zu vernichten 
oder sich zu verbinden und alle in einen Krieg auf Tod und Leben gegen 
die politische und Handelsgröße Englands zu vereinigen. Er selbst übte die 
unumschränkteste Herrschaft in den unmittelbar unterworfenen Ländern, 
Frankreich und Italien; jenes hatte er zuerst bis zu seiner angeblich natür¬ 
lichen Grenze, dem Rheine, dann über ihn hinaus über Holland und das 
deutsche Niederland und zuletzt bis an die Travemündung ausgedehnt; dieses 
im Norden durch Wallis und Südtirol, im Osten durch Jllyrien (s. S. 677), 
Croatien, Dalmatien und die jonischen Inseln erweitert. Mittelbar, aber 
ohne Widerrede, gehorchten seinem Befehl feine Brüder, die Könige in Spa¬ 
nien und Westfalen, fein Marschall-König und Schwager in Neapel, die 
Vasallen des Rheinbundes einschließlich Warschaus, die Schweiz und, als 
Bundesgenossen gegen England, Dänemark und Schweden (wo im Sommer 
1810 der Marschall Bernadotte zum Thronfolger erwählt worden war). Preu¬ 
ßen, durch französische Festungsbefatzungen im Innern und unerschwingliche 
Erpressungen gedrückt, von französischen und Rheinbunds-Heeren umschlossen, 
vermochte nur im Stillen seine dereinstige ruhmvolle Erhebung vorzubereiten 
tmb sah seine Lage nun noch durch den neuen französisch-österreichischen 
Familienbund verschlimmert, welcher dem französischen Kaiser eine Verstärkung 
an Macht einbrachte, die sowohl für die Sicherung seiner Stellung im Osten, 
als für die Entwickelung seiner weiteren Pläne von großem Werthe war. 
Zwar erschien dagegen die russische Verbindung gelockert, und die Einverlei¬ 
bung Oldenburgs in das französische Reich zeigte sie auch der Welt als in 
der Auslösung begriffen; aber Rußland beharrte, trotz dieses Beweises von 
offener Nichtachtung, fortwährend in der Reihe der unterthänigen Verbündeten 
und Theilnehmer am Eontinental-Kriege mit England. So schien ant 
Schluffe des 6. Jahres des Kaiserthums, wenn auch nicht^der unmittelbare 
Besitz, doch die Unterthänigkeit des europäischen Festlandes unter der Alles 
erdrückenden Weltmacht Napoleon's entschieden und äußerlich gesichert.
	        
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