12. Der Reichstag zu Worms, 1521.
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gegen das wahre Christenthum geschrieben habe; alle aber erklärten, wenn
man sich auf Erörterungen über Glaubenssachen auch gar nicht einlasse,
müsse Luther doch darüber befragt und vernommen werden, ob er das wirk¬
lich gelehrt habe und noch lehre, was ihm der Papst zur Last lege.
Nicht vom religiösen, vom politischen Standpunkte aus fielen die Reichs¬
stände Luther zu. So baten sie auch den Kaiser, ihre Beschwerden gegen die
Curie abzustellen, wie er es bei seiner Erwählung zugesagt. Karl V. ging
auf die Wünsche der Stände ein und legte einen Geleitsbries für Luther zur
Genehmigung vor. Vergebens suchte Aleander die Ertheilung des Ge¬
leites zu hintertreiben; nur Joachim von Brandenburg erklärte sich dagegen.
Die andern Fürsten, deren Gebiete Luther auf der Reise nach Worms be¬
treten mußte, fügten ihre eigenen Geleitsbriefe bei. Auf dem Wege dahin
strömte Alles dem kühnen Mönche entgegen und empfing ihn mit offenen
Armen.
Am 16. April in Worms angekommen, wurde Luther schon am folgen¬
den Nachmittage durch den Erbmarfchall von Pappenheim zur Reichsver¬
sammlung in den Bischofshof geleitet. Ehe er in die Versammlung eintrat,
sagte der unter den Waffen grau gewordene Georg Frunsberg: „Münchlein!
Münchlein! du gehest einen Gang, dergleichen ich und mancher Oberst in
unserer ernstesten Schlachtordnung nicht gethan haben. Bist du aber rechter
Meinung und deiner Sache gewiß, so sei nur getrost und fahre in Gottes
Namen fort, er wird dich nicht verlassen!" In der Reichsversammlung saßen
außer dem Kaiser nebst seinem Bruder, dem Könige Ferdinand, und dem
päpstlichen Legaten 6 Kurfürsten, 28 Herzoge, 30 Prälaten, viele Fürsten
und Grafen, Abgeordnete von Städten und fremden Mächten, überhaupt
200 Personen. An den Fenstern, auf den Gängen und den benachbarten
Straßen hatten sich mehrere tausend Menschen eingefunden. Der Vicar des
Kurfürsten von Trier, Johann von Eck (nicht mit dem ingolstädtifchen Kanzler
zu verwechseln), führte das Wort gegen Luther und fragte ihn nach einem
lateinisch gesprochenen Eingänge, ob er die Bücher (deren Titel man ihm
vorlas) für die fetnigen erkenne und ob er ihren Inhalt widerrufen wolle?
Luther bejahte die erste Frage, bat aber hinsichtlich der zweiten um Bedenk¬
zeit. Nach einer kurzen Berathung der Fürsten erhielt er durch Eck den
Bescheid: aus den kaiserlichen Berufsfchreiben habe er ersehen, worüber man
ihn befragen werde, und hinreichend überlegen können, was er antworten
wolle; doch bewillige man ihm, um keinen Grund zur Klage zu geben,
24 Stunden Bedenkzeit. Ant folgenden Tage (18. April) stellte Eck in der
Reichsversammlung die Frage: ob Luther alle seine Bücher vertheidigen oder
aber etwas widerrufen wolle? Dieser überhörte die veränderte Form der
Frage und antwortete nach einer höflichen Einleitung: „Meine Schriften sind
nicht von gleicher Art. Einige, zur Erklärung der Bibel und zur Erbauung
geschrieben, haben selbst meine Gegner gebilligt, und sie widerufen, hieße