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Erster Zeitraum: 1492—1648.
die Verächter seines Edictes auftreten. So zwangen den Kaiser die Ver¬
hältnisse seiner auswärtigen Politik zur ruhigen Duldung der Vorgänge in
Deutschland, die er nach seiner spanischen Anschauung und unter dem Ein¬
flüsse seiner stets spanischen Gewissensräthe und geistlichen Leiter in tiefster
Seele verabscheute. Der Reichstag zu Speyer, 1526, hat den Grund gelegt,
aus dem im Reiche die Verschiedenheit des religiösen Bekenntnisses erwachsen
sollte. Der Beschluß des Reichstages, daß bis zu einem allgemeinen oder na¬
tionalen Concil ein jeder Stand „es so halte, wie er es gegen Gott und Kai¬
serliche Majestät zu verantworten getraue", daß also ein Jeder der Refor¬
mation anhängen oder ihr widerstreben möge, ward von allen Seiten gebilligt
und auch der Kaiser, in die italienisch-französischen Kriegshändel verwickelt, hat
in der Kirchenfrage die deutsche Nation ihrer eigenen Entwickelung überlassen.
13. Der Bauernkrieg.
(Nach Karl Adolf Menzel, Neuere Geschichte der Deutschen von der Reformation
bis zur Bundesacte.)
Während die neue Lehre in den Erbländern des Kaisers und seines
Bruders Ferdinand, in dem Gebiete des Herzogs Georg von Sachsen, im
Brandenburgischen und in mehreren geistlichen Herrschaften verfolgt ward, und
außer dem Kurfürsten Friedrich von Sachsen eigentlich keiner der großem
Stände sich ihrer annahm, ergriffen desto eifriger die zahlreichen Glieder des
Reichsadels und die Städte für sie Partei. Unter den letzteren waren es
Magdeburg, Nürnberg und Frankfurt, welche zuerst ihren Gottesdienst nach
Luther's Grundsätzen veränderten. Städtische Obrigkeiten, die seit langen
Jahren mit Bischöfen und Domcapiteln in Zwist über Gerichtsbarkeiten,
Steuerfreiheiten, Zehnten, Zinsen und dergleichen standen, oder sich vielleicht
gar den Hoheitsrechten derselben entzogen hatten oder entziehen wollten, war
natürlich der Anlaß nicht unwillkommen, Gegnern und ungern ertragenen
Obern ihr Uebergewicht fühlbar zu machen oder sich mit Hülfe der allge¬
meinen Volksbewegung derselben ganz zu entledigen.
Auch das Landvolk und die Bewohner der kleinen Städte in Oberdeutsch-
land waren seit langer Zeit mit ihrem Zustande äußerst unzufrieden und
für eine gewaltsame Veränderung desselben gestimmt. Die Frohndienste,
welche ihre geistlichen und weltlichen Herren von ihnen forderten, die Plün¬
derungen und Verheerungen, denen sie bei den häufigen Fehden, welche trotz
des gebotenen Landfriedens in diesen Gegenden immer noch vorkamen, aus¬
gesetzt waren, der Druck der Auflagen, welcher mit dem steigenden Answande
der Großen zunahm, besonders aber das Beispiel der benachbarten Schweizer,
welche, der Herrschaft des Adels entledigt, von ihren Obrigkeiten mit keinen