Full text: Die Geschichte des Alterthums (Bd. 1)

35. Aegypten unter den letzten Pharaonen. 115 
von keinem bedeutenden Einflüsse für die Entwicklung des Staates waren und 
nur kurze Zeit festgehalten werden konnten. Zunächst verdankt ihm das Land 
einen großen Theil seiner Cultur und Fruchtbarkeit. Denn viele Gegenden 
desselben waren vor ihm theils wegen übermäßiger Ueberschwemmung, theils 
vom Nil allzuweit entfernt wegen gänzlichen Wassermangels unbewohnbar 
gewesen. Diesem Uebelstande suchte er dadurch abzuhelfen, daß er vermittelst 
der Gefangenen, die er mitgebracht hatte, das ganze Land von Canälen 
durchziehen ließ, welche einerseits eine allzugroße Ueberschwemmung mäßigten, 
andererseits das segensreiche Nilwasser entfernteren Gegenden zuführten ; doch 
konnte seitdem das Land weder beritten noch befahren werden. Ebenso ließ 
Sesostris durch das ganze Land eine große Anzahl von Dämmen ziehen, auf 
denen später ganze Städte erbaut werden konnten, er schützte die Grenze des 
Landes nach Arabien hin von Pelusium bis nach Heliopolis gegen die 
Streifzüge der Araber durch eine 1500 Stadien lange Mauer! endlich ver¬ 
dankte auch eine große Anzahl von Tempeln, Obelisken und Götterbildern 
ihm ihren Ursprung. An allen diesen verschiedenen Denkmälern soll er in 
unzähligen Inschriften mit besonderem Stolze sich gerühmt haben, daß er nur 
Kriegsgefangene zu denselben verwendet habe, und daß kein einziger Aegyp- 
tier bei ihnen beschäftigt worden sei. So war Sesostris groß als Kriegsheld, 
groß durch Beförderung und Begünstigung der Künste und Wissenschaften, 
groß in den mannichfachsten Werken des Friedens. Was sein Lebensende 
betrifft, so wird erzählt, er sei in hohem Alter erblindet, und Verzweiflung 
über den Verlust seines Gesichtes habe ihn zum Selbstmorde geführt, welchen 
die ägyptischen Priester als eine hochherzige und muthige That ganz beson¬ 
ders an ihm rühmten. 
Ist aber bisher Sesostris als eine vollständig historische Person betrach¬ 
tet worden, so ist damit noch keineswegs zugestanden, daß zugleich auch alle 
über ihn mitgetheilten Nachrichten historisch sein Müssen. Sesostris war ein, 
uralter Heldenname, auf den ohne Zweifel Vieles übertragen wurde, was 
ihm fremd war, und dessen Thaten man gern vergrößerte und mit interessan¬ 
ten Zügen ausschmückte. 
35. Aegypten unter den letzten Pharaonen 
(Nach Mar Duncker, Geschichte des Alterthums.) 
Mit dem Tode des großen Ramses (1328 v. Chr.) hatte Aegypten auf¬ 
gehört, die erste Großmacht der alten Welt zu sein. Unter seinen nächsten 
Nachfolgern kehrt Aegypten zu derselben Zeit, da Assyriens kriegerischer Auf¬ 
schwung beginnt, d. h. seit der Mitte des 13. Jahrhunderts, von seiner Höhe 
zu einem friedlichen und stillen Leben innerhalb seiner allen und natürlichen 
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