Full text: Die Geschichte des Alterthums (Bd. 1)

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IX. Die Griechen. 
51. Die Sage vom ArgonauLcryuge. 
(Nach Jo H. Wilh. Loebell, die Weltgeschichte in Umrissen und Ausführungen.) 
Wenn die kretische Meerherrschast sich als nackte Thatsache im Andenken 
der späteren Geschlechter erhalten zu haben scheint, so ist dagegen eine von 
dem Festlande Griechenlands ausgegangene Seeunternchmung, der Argo- 
nautenzüg, eine ganz in Mythen gehüllte und mit vielen Wundern ge¬ 
schmückte Sage. Die Hauptrolle in derselben spielen die Aeoliden. Pelms, 
durch seine Mutter Tyro von dem Aeolussohne Salmoneus stammend, hatte 
seinem Halbbruder Aeson die Herrschaft über das Reich von Jolcus in 
Thessalien geraubt. Als nun dessen teohn Jason herangewachsen und ein 
herrlicher, kühner Held geworden war, erschien er vor dem Oheim, die Herr¬ 
schaft zurückzufordern. Pelias stellte die Bedingung, daß er zuvor das goldene 
Vließ aus weiter Ferne hole und damit zugleich einen Fluch löse, der von 
Phrixus, einem Sohne ihres gemeinsamen Großoheims, her auf dem Ge¬ 
schlechte der Aeoliden laste. Es hatten nämlich Phrixus und Helle, Kinder 
des Aeolussohnes Athamas und der Wolkengöttin Nephele, von den Ränken 
ihrer bösen Stiefmutter Ino viel zu dulden. Vermöge eines falschen, von 
Ino untergeschobenen Orakelspruchs sollte Phrixus, um den Fluch einer Un¬ 
fruchtbarkeit der Felder abzuwenden, geopfert werden, Nephele aber entrückte 
ihre Kinder auf einem wunderbaren Widder, der über das Meer und durch 
die Lust zu wandeln vermochte; Helle fiel auf dem Wege herab, und die 
Meerenge, in die sie sank, wurde nach ihr Hellespont genannt, Phrixus aber 
kam über das Schwarze Meer nach Aea (d. H. Land), einer Gegend im äußer¬ 
sten Osten der Erde, wo König Aeetes, ein Sohn des Sonnengottes, herrschte. 
Auf Götterbefehl wurde der Widder hier geopfert, sein goldenes Fell, an einen 
Baum im Haine des Ares gehängt, blieb unter der Hut eines nie schlum¬ 
mernden Drachen. 
Die Argo, .ein zu dem Zuge eigens gezimmertes Schiff, welches im 
Hafen von Jolcus Jason und seine Begleiter ausnahm, gab ihnen den 
Namen der Argoschiffer. Zu diesen Begleitern und Gefährten gehörten die 
glänzendsten Heroen; denn „alleinnehmende, süße Begierde nach dem Schiffe 
Argo entzündete Here in den Halbgöttern, daß Keiner zurückblieb", wie Pin- 
dar sagt. Daher denn auch Hercules, Theseus, selbst Orpheus unter ihnen 
aufgeführt sind, und besonders tne Väter der berühmtesten Helden des troja¬ 
nischen Krieges, denn der Argonautenzug wird etwa ein Menschenalter vor 
diesem gedacht; doch bleibt Jason, der eigentliche Vollbringer des kühnen 
Unternehmens, ganz im Mittelpunkte. Nach vielen Gefahren und Abenteuern 
gelangte man endlich nach Aea. Hier versprach König Aeetes dem Jason 
die Auslieferung des goldenen Vließes, wenn er zuvor zwei feuerschnaubende
	        
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