Full text: Die Geschichte des Alterthums (Bd. 1)

121. Tarquinius SuperbuS. 
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vereinigt waren, sowohl Patrizier als Plebejer, stimmfähig sein, und zwar 
so, daß bei der Abstimmung jede Centurie für eine Stimme gezählt wurde. 
Dadurch war nicht nur den Reichen das entschiedene Uebergewicht gesichert, 
sondern es war auch auf das'Alter die gebührende Rücksicht genommen, in¬ 
dem in jeder Klasse die seniores, obwohl an Kopfzahl geringer, doch eben so 
viele Stimmen als die juniores hatten. Die 18 Centurien der Ritterschaft 
hatten die ihrem Dienste angemessene Auszeichnung, daß sie zuerst stimmten 
(daher: centuriae praerogativae). Die beim Kriegswesen besonders berück¬ 
sichtigten Handwerker und Musiker hatten je 2 (?), die accensi velati 1, die 
Proletarier und eben so die capite censi je 1 Stimme. Im Ganzen waren 
195 (oder 193?) Stimmen. In jedem Falle bildeten aber die 80 Stimmen 
der 1. Klasse mit den 18 Rittercenturien, wenn sie alle einig waren, die ent¬ 
scheidende Mehrheit und es war dann ein weiteres Abstimmen nicht nöthig. 
Aus diese Centuriatcomitien übertrug nun Servius die Rechte, welche 
bis dahin die Versammlung der Curien gehabt hatte: die (Entscheidung über 
Krieg und Frieden, die Wahl des Königs und anderer Obrigkeiten und die 
Annahme und Abschaffung der Gesetze. Doch wurden durch sie weder die 
Comitien der Curien, noch die Beschränkungen aufgehoben, wodurch die alte 
Verfassung den Nachtheilen großer Volksversammlungen vorgebeugt hatte. 
Denn bei neuen Gesetzen mußte erst der Antrag des Senats, in einem Sena- 
tusconsult versaßt, an sie gelangt sein; und bei Len Königswahlen waren 
die Stimmen auf die Person beschränkt, die der Jnterrex vorschlug. Ueber- 
dies kamen damals, wo weit mehr das Herkommen regierte, neue Gesetze 
nicht oft vor, und auch die Wahlversammlungen waren selten, da der einmal 
Erwählte auf Lebenszeit blieb. Die Versammlung der Curien aber behaup¬ 
tete ihre alte Stellung darin, daß sie die Beschlüsse -der Centuriatcomitien 
über Gesetze und Wahlen nach eingeholten Auspicien aus den Antrag des 
Senates zu bestätigen und dem Erwählten das Imperium zu ertheilen hatte. 
Die Patricier bildeten also durch die Curien und den Senat noch immer den 
herrschenden L-tand, dessen Einfluß, durch die Religion außerordentlich ver¬ 
stärkt, alle Theile der Verfassung erfüllte. Sie, durch Abstammung oder 
Aufnahme mit den ersten Gründern der geheiligten Stadt verbunden, rühmten 
sich der besondern Gunst der Götter, denen sie allein in den Auspicien und 
öffentlichen Opfern nahen durften; sogar bie Abhaltung der Centuriatcomitien 
war von ihnen burch bie Deutung ber Auspicien unb burch bie heiligen Ge¬ 
bräuche, beren Kenntniß ihnen allein überliefert war, abhängig. 
121. Tarquinius Zuperbus. 
(9£ach Bertho ld Georg^Niebuhr, römische Geschichte.) 
Der Thronräuber begann, ohne auch nur ben Schein einer Bestätigung 
burch die Curien, als König zu herrschen. Alle Rechte unb Ehren, welche 
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