121. Tarquinius SuperbuS.
435
vereinigt waren, sowohl Patrizier als Plebejer, stimmfähig sein, und zwar
so, daß bei der Abstimmung jede Centurie für eine Stimme gezählt wurde.
Dadurch war nicht nur den Reichen das entschiedene Uebergewicht gesichert,
sondern es war auch auf das'Alter die gebührende Rücksicht genommen, in¬
dem in jeder Klasse die seniores, obwohl an Kopfzahl geringer, doch eben so
viele Stimmen als die juniores hatten. Die 18 Centurien der Ritterschaft
hatten die ihrem Dienste angemessene Auszeichnung, daß sie zuerst stimmten
(daher: centuriae praerogativae). Die beim Kriegswesen besonders berück¬
sichtigten Handwerker und Musiker hatten je 2 (?), die accensi velati 1, die
Proletarier und eben so die capite censi je 1 Stimme. Im Ganzen waren
195 (oder 193?) Stimmen. In jedem Falle bildeten aber die 80 Stimmen
der 1. Klasse mit den 18 Rittercenturien, wenn sie alle einig waren, die ent¬
scheidende Mehrheit und es war dann ein weiteres Abstimmen nicht nöthig.
Aus diese Centuriatcomitien übertrug nun Servius die Rechte, welche
bis dahin die Versammlung der Curien gehabt hatte: die (Entscheidung über
Krieg und Frieden, die Wahl des Königs und anderer Obrigkeiten und die
Annahme und Abschaffung der Gesetze. Doch wurden durch sie weder die
Comitien der Curien, noch die Beschränkungen aufgehoben, wodurch die alte
Verfassung den Nachtheilen großer Volksversammlungen vorgebeugt hatte.
Denn bei neuen Gesetzen mußte erst der Antrag des Senats, in einem Sena-
tusconsult versaßt, an sie gelangt sein; und bei Len Königswahlen waren
die Stimmen auf die Person beschränkt, die der Jnterrex vorschlug. Ueber-
dies kamen damals, wo weit mehr das Herkommen regierte, neue Gesetze
nicht oft vor, und auch die Wahlversammlungen waren selten, da der einmal
Erwählte auf Lebenszeit blieb. Die Versammlung der Curien aber behaup¬
tete ihre alte Stellung darin, daß sie die Beschlüsse -der Centuriatcomitien
über Gesetze und Wahlen nach eingeholten Auspicien aus den Antrag des
Senates zu bestätigen und dem Erwählten das Imperium zu ertheilen hatte.
Die Patricier bildeten also durch die Curien und den Senat noch immer den
herrschenden L-tand, dessen Einfluß, durch die Religion außerordentlich ver¬
stärkt, alle Theile der Verfassung erfüllte. Sie, durch Abstammung oder
Aufnahme mit den ersten Gründern der geheiligten Stadt verbunden, rühmten
sich der besondern Gunst der Götter, denen sie allein in den Auspicien und
öffentlichen Opfern nahen durften; sogar bie Abhaltung der Centuriatcomitien
war von ihnen burch bie Deutung ber Auspicien unb burch bie heiligen Ge¬
bräuche, beren Kenntniß ihnen allein überliefert war, abhängig.
121. Tarquinius Zuperbus.
(9£ach Bertho ld Georg^Niebuhr, römische Geschichte.)
Der Thronräuber begann, ohne auch nur ben Schein einer Bestätigung
burch die Curien, als König zu herrschen. Alle Rechte unb Ehren, welche
28*