24. Die Gründung des persischen Reiches durch Cyrus.
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Delphi. Dann ließ er das nach seiner Meinung hinreichend erprobte Orakel
fragen, ob er den Krieg gegen die Perser getrost beginnen könne, und erhielt
die Antwort, daß er, wenn er wider die Perser zöge, eine große Herrschaft
vernichten würde. Diesen Spruch deutete er ganz zu seinen Gunsten und
sandte zu einer dritten Erkundigung nach Delphi, ob seine eigene Herrschaft
lange bestehen würde, worauf erwidert ward : nur wenn über die Meder einst
ein Maulthier herrschen würde, solle er sich zur Flucht wenden. Hierüber
freute er sich am meisten, da der Gott seinen Fall an ein, wie er meinte,
unmögliches Ereigniß geknüpft habe. Schon hatte er Bündnisse mit Aegyp¬
ten und Babylon geschlossen. Und nun führte er sein Heer über den Halys,
den Grenzfluß, der sein Reich vom medischen schied.
In allem diesem ist der Charakter der Sage nicht zu verkennen; selbst
ein Umstand, der ganz geschichtlich scheint, der Besuch des Solon beim Crö-
sus, ist höchst zweifelhaft, da er mit der Zeitrechnung nicht stimmen will.
Zweierlei aber ist als der historische Kern dieser herodotischen Erzählung zu
betrachten, daß Crösus es war, der den Krieg durch seinen Angriff herbei¬
führte, obschon er wahrscheinlich dem kampflustigen Cyrus nur zuvorkam, und
daß er den Angriff wagte auf zweideutige Orakelsprüche. Verheerend drang
er vor, Cyrus rückte ihm entgegen, eine Schlacht blieb unentschieden, Crösus
hielt es aber für gerathen, heim zu ziehen und seine Bundesgenossen aufzu¬
bieten, um im nächsten Frühjahr den Krieg zu erneuern. Aber der rasche,
thätige Cyrus ließ ihm dazu keine Zeit; er erschien vor Sardes, ehe Crösus
es ahnte. Dieser führte nun alle Truppen,-die er zusammenbringen konnte,
hinaus zum Streite, aber so tapfer die Lydier auch fochten, sie verloren das
Treffen, und die Perser begannen sofort die Belagerung der Stadt. Am
vierzehnten Tage wurde die Burg erstiegen an einer Stelle, die gar nicht
bewacht war, weil man sie wegen ihrer Steilheit für unersteiglich hielt. So
ward Sardes erobert und verwüstet und Crösus gefangen. Der Sieger
wollte ihn lebendig verbrennen lassen; schon auf dem bereits angezündeten
Scheiterhaufen stehend, rief Crösus den Namen Solon's, indem er des Wei¬
sen gedachte, dessen Ausspruch über die Wandelbarkeit des Glückes sich an
ihm so bewährte; Cyrus verlangte zu wissen, wen er rufe, und als er es er¬
fahren, und die Unbeständigkeit menschlicher Größe bedacht hatte, befahl er,
den Crösus von dem Scheiterhaufen herunterzunehmen. Auch erlaubte er
ihm, Boten nach Delphi zu senden, um über die Trüglichkeit und Undank¬
barkeit des Gottes Klage zu führen. Daraus kam die Antwort: über seine
Aussprüche beklage sich Crösus mit Unrecht; denn ob unter der großen Herr¬
schaft, die zum Fall bestimmt gewesen, seine oder die des Cyrus zu verstehen
gewesen, darüber hätte er zu forschen unterlassen, und das über die Meder
herrschende Maulthier sei eben Cyrus, als von Eltern ungleicher Art, einer
medischen Königstochter unb einem Perser, ber ein Unterthan gewesen, ent¬
sprossen. Unb bieser Bescheib beruhigte beit Crösus, denn er erkannte, baß