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VI. Die Perser.
das Unglück nicht durch des Gottes, sondern durch seine Schuld über ihn
gekommen sei. Uebrigens beschränkte sich dieses Unglück auf den Verlust des
Thrones, anderes Leid hatte er so wenig wie Astyages zu bejammern. Cyrus
gab ihm eine ehrenvolle Stelle in seiner nächsten Umgebung, und er, der
sich selbst nicht zu rathen gewußt, mußte in wichtigen Fällen seinem Sieger
Rath ertheilen, der auch nicht selten befolgt ward. Unter diesen Rathschlägen
war ein merkwürdiger, das Volk der Lydier selbst betreffender. Da diese
nämlich, als Cyrus den Rücken gewandt hatte, eine Empörung versuchten,
wollte der zürnende König sie sämmtlich in die Sklaverei verkaufen lassen.
Sie vor diesem schrecklichen Loose zu bewahren, rieth Crösus, ihnen lieber
die Waffen zu nehmen, und zu gebieten, daß ihre Knaben nur im Tonspiel
und Gesang geübt werden dürften und zur Kaufmannschaft erzogen werden
müßten: so würden sie bald entnervt und kein weiterer Aufstand von ihnen
zu befürchten sein. Wirklich erscheinen die Lydier später als ein unkriegerisches,
entartetes Volk. — Die Bezwingung der Griechen in den Pflanzstädten an
der Küste und einiger benachbarten Völker überließ Cyrus seinen Feldherren;
Harpagus vollendete sie.
Der König selbst wandte sich nach einiger Zeit gegen das babylonische
Reich, welches büßen mußte, daß es nicht zur rechten Zeit mit Lydien vereint
seine Kraft aufgeboten hatte gegen den Feind, der Alle bedrohte. Die Ba¬
bylonier wurden bei der Feier eines Festes überrascht, und mit der Haupt¬
stadt war das ganze Reich in die GewaÜ der Perser gekommen*).
Ein Befreier wurde Cyrus für die zu Babylon in der Gefangenschaft
schmachtenden Juden. Er ertheilte ihnen die Erlaubniß zur Rückkehr in ihr
Vaterland, eine Handlung, zu der es schwerlich der Aufsuchung anderer
Gründe bedarf, als daß es der Staatsklugheit angemessen war, ein Volk zu
begünstigen, in dessen Herzen Haß gegen Babylon, das ihm Alles geraubt
hatte, tief eingewurzelt sein mußte, und es in eine Provinz des gestürzten
Reiches zu senden, welche damals gewiß noch von keinem persischen Heere
betreten wurde.
Cyrus würde übrigens selbst nach Palästina gekommen sein, wenn er
sein Vorhaben, den zweiten Bundesgenossen des Crösus, Aegypten, zu züch¬
tigen, ausgeführt hätte. Daran scheinen ihn aber Bewegungen an der Nord¬
grenze seines weiten Reiches gehindert zu haben. Dort, im unwirthbaren
Norden, war dem Helden das Ende seiner Thaten und seines Lebens bereitet.
Nach Herodot waren es die Massageten, gegen die er umkam, ein den
Scythen verwandtes und ihnen in der ganzen Lebensweise ähnliches Volk,
dessen Wanderplätze wahrscheinlich im Norden des Jaxartes zu suchen sind.
Es herrschte über sie damals ein Weib, Tomyris genannt. Die Perser gin¬
gen über den Strom und machten bei einem glücklich ausgeführten Ueberfall
*) S. oben Seite 55.