Muhamed.
155
Verstorbenen oder an einen andern vergab. Der König war der Lehnsherr und der
Besitzer sein Vasall oder Lehnsträger. Für die Belehnung war der Vasall ver¬
pflichtet, dem Könige in jeder Noth beizustehen und mit seinen Knechten ihm zu Hülse
zu ziehen, wenn es einen Krieg gab. Große Vasallen vergaben oft wieder einzelne
Theile ihrer Besitzungen an geringere Edelleute, die nun wieder ihre Vasallen
waren und ihnen dieselben Dienste leisten mußten. Nachmals machten sich nicht
selten große Vasallen unabhängig, und der König konnte sie nicht bezwingen, wenn
die übrigen ihm nicht beistanden. Man nennt diese Einrichtung die Lehnsver¬
fassung oder das Feudalsystem.
Die Blutrache. War ein Franke von dem andern getödtet worden, so ruhte
der Sohn oder nächste Verwandte des Ermordeten nicht eher, bis er sich gerächt
hatte. Auch bei kleineren Beleidigungen oder Verletzungen war Rache jedem ver¬
gönnt; aber die Richter gaben sich Mühe, die streitenden Parteien zu versöhnen
und die Blutrache mit Geldstrafe zum Schweigen zu bringen.
92. Muhamed. 622.
Seine Erziehung. Eigenschaften. Muhamed wurde zu Mekka in Ara¬
bien geboren. Er verlor noch als Kind Vater und Mutter. Da nahm ihn
ein Oheim zu sich, der ihn zur Handlung erzog und mit feinen Kara¬
wanen nach den Gegenden des Euphrat und Tigris, nach Syrien und Pa¬
lästina sandte. — Muhamed war ein schön gewachsener Mann, von kraftvoller
Gesundheit und'einem kühnen majestätischen Blick. Er besaß dabei einschmei¬
chelnde Beredsamkeit, hohe Klugheit und kühnen Muth. Dies waren Eigen¬
schaften, durch die er sich leicht die Liebe der Menschen gewann, und die er
geschickt zu benutzen wußte, sich bald eine glänzendere Gewalt zu erwerben.
Muhamed der Prophet. Er heiratete eine reiche Wittwe, deren weit¬
läufige Handelsgeschäfte er schon früher geführt hatte. Nachdem er noch
einige große Reisen gethan, gab er die Handlung auf und zog sich in die
Einsamkeit zurück. Hier bereitete er sich zurrt Stifter einer treuen Religion
vor. Die christliche Religion hatte er .wohl auf seinen Reisen kennen gelernt-
da sie aber irr den Staaten des griechischen Kaiserthums so viel Streit und
Blutvergießen veranlaßte, ward sie von den Heiden als eine Quelle alles
Bösen gehaßt. Die reine Lehre Jesu, wosern Muhamed sie kannte, schien
zn streng für ein Volk, daß feine andere Glückseligkeit zu schätzen wußte,
als die ves körperlichen Genusses. Er begeisterte sich in der Einsamkeit für
seinen großen kühnen Gedanken, und so entdeckte er endlich erst seiner Frau,
dann auch andern Verwandten, es sei ihm der Engel Gabriel erschienen
und habe ihm offenbart, daß er zum Abgesandten Gottes bestimmt sei. Die
wahren Schicksale und Reden Muhameds wissen wir nicht zuverlässig; denn
seine Anhänger haben ihm so viel Wunderbares angedichtet, daß sein Leben
ein sonderbares Märchen geworden ist. Der Koran, das Religionsbuch der
Muhantedaner, ist nicht von Muhamed, sondern erst nach seinem Tode von
seinen Schülern geschrieben worden. Muhamed konnte weder lesen noch
schreiben, und die Araber erzählen, als der Engel Gabriel ihm zuerst in
einer Höhle bei Mekka erschienen sei und ihm gesagt habe, Gott hat dich
tu seinem Propheten erkoren, lies! habe er geantwortet, er könne nicht lesen.
Da habe ihn der Engel beim Schopf ergriffen und ihn dreimal zur Erde
geworfen mit den Worten: „Lies im Namen des Herrn, der den Menschen
lehret, was er nicht weiß!" Daraus habe er lesen können
Muhameds Flucht. Muhameds Lehre fand Anhänger; allein gerade
der Stamm, zu dem er gehörte, feindete ihn an; denn ein Prophet gilt nach
dem Sprüchworte nirgend weniger als in feinem Vaterlande. Muhamed
floh deshalb von Mekka nach Medina (622). Von dieser Flucht (arabisch
Hedschra) an rechnen die Muhatnedaner ihre Mondjahre. Nach der Sage