— 111
sein, so scheute er sich doch, die morsche Verfassung des Freistaates
umzustürzen. Aber seine Stellung in Rom wurde bald schwankend
und unsicher. Der Senat, welcher längst die fast königliche Macht
des Pompejus mit argwöhnischen Augen betrachtete, weigerte sich,
seine Einrichtungen in Asien zu genehmigen und seinen ausgedienten
Soldaten die von dem Feldherrn versprochenen Ländereien anzn-
weisen. Daher näherte dieser sich der Volkspartei und ihrem Führer
Cäsar.
©rrius Julius Cäsar war im Jahre 100 zu Rom als
Sproß eines alten patricischen Geschlechtes geboren, das seine Ahnen
bis auf Äneas zurückleitete. Wegen seiner Verwandtschaft mit Ma-
rius und Cinna, den Führern der Volkspartei, fürchtete er unter
der Herrschaft"Sullas für seine Sicherheit: hatte doch Sulla über
Cäsar geäußert, in diesem jungen Manne stecke mehr als ein Marius.
Daher entwich der junge Cäsar aus Rom und begab sich nach Rho-
dusj wo er sich, wie Cicero, in der Redekunst ausbildete. Auf dieser
Reise fiel er Seeräubern in die Hände. Sie verlangten von ihm ein
Lösegeld von zwanzig Talenten. Er versprach ihnen fünfzig zu
geben; denn sie wüßten nicht, wen sie gefangen hätten. Während
er das Geld von Milet her zusammenbringen ließ, verkehrte er mit
den Räubern so, als ob sie nicht seine Wächter, sondern seine Diener
wären. Er las ihnen seine Reden und Gedichte vor und drohte jeden,
der sie nicht lobte, aufhängen zu lassen. Als er nach Aufbringung
des Lösegeldes wieder freigelassen war, bemannte er alsbald mehrere
Schiffe, jagte den Seeräubern das Lösegeld wieder ab und ließ sie
selbst ans Kreuz schlagen. Nach Rom zurückgekehrt, gewann er als
Ädil die Volksmenge durch prächtige Spiele, in denen mehr als
dreihundert Fechterpaare in silbernen Rüstungen auftraten, und
ließ die unter Sulla umgestürzte Bildsäule des Marius wieder
aufrichten, um seine Hinneigung zur Volkspartei zu bekunden. Bald
wurde er ihr einflußreichster Führer. Im Jahre 61 war er als
Statthalter (Proprätor) in Svanien. Als er auf dem Wege dahin
beim Übergange über die Alpen an einem armseligen Städtchen
vorbeikam und seine Begleiter die Frage aufwarfen, ob wohl auch
in einem solchen Dorfe ein Wettstreit um den ersten Rang vorkomme,
sagte er ernst: „Ich möchte lieber in diesem Dorfe der erste als in
Rom der zweite sein."