Full text: Kurze Übersichten über den Verlauf des Weltkriegs

53 
5. Die große feindliche 'Gegenoffensive. 
so daß die zwischen den Flügeln stehenden Truppenmassen nicht im geringsten in Ge¬ 
fahr kamen. 
4. Der deutsche Rückzug bis zur hindenburglinie (Linie Cambrai—St. Quen¬ 
tin—La Före). Soviel war jetzt aber klar: Die Feinde hatten mittels eines 
aus der ganzen Welt zusammengebrachten gewaltigen Kriegsmaterials 
(darunter 8000 Tanks!) und unter Eingliederung von über 1 Million 
amerikanischer Truppen eine ungeheure Macht unter einheitlicher Lei¬ 
tung (Foch) zusammengebracht, die den endgültigen Vernichtungsschlag 
gegen Deutschlaud führen sollte! Die deutsche Heeresleitung stand also vor 
der Frage, ob sie den Kampf in diesem alten verwüsteten, wertlosen Kampfgebiet 
mit seinen schlechten Nachschubgelegenheiten annehmen oder ob sie dieses Gebiet 
räumen und auf die Hindenburglinie zurückgehen solle. Die Entscheidung konnte 
nicht fraglich fein. Die Behauptung dieses breiten, ausgestorbenen, verödeten Vor¬ 
geländes vor der Hindenburglinie, einschließlich der Sommewüste, die nur noch Ruinen¬ 
stätten, keinen einzigen noch aufragenden Ort mehr besaß, hätte ungeheure Blutopfer 
gekostet, ohne irgendeinen wertvollen Gewinn mit sich zu bringen, denn ob wir oder 
die Gegner dieses Trümmer- und Totenfeld besaßen, war für den Kriegsausgaug 
gleichgültig. Viel wertvoller war für uns, daß unsere Kampfkraft möglichst unge- 
schwächt für kommende Ereignisse erhalten bleibe. So entschloß man sich, die Front 
stückweise abzubauen und in die Hindenburglinie zurückzugehen. Um das ungestört 
tun zu können, mußte man sich die angreifenden Feinde immer genügend weit vom 
Leibe halten, d. h. man mußte am Tage die Angriffe abwehren und in Gegenstößen 
zurückschlagen, um dann in der Nacht das betreffende Stück Front ungestört vom Feind 
zurücklegen zu können. Der nachrückende Feind wurde dann von den Nachhuten, 
besonders von den zahlreichen versteckten Maschinengewehrnestern, unter Feuer ge¬ 
nommen, am Vormarsch gehindert und durch gewaltige blutige Verluste geschwächt. 
Auf diese Weise vollzog sich der deutsche Rückmarsch, diese „wandernde Schlacht", 
wie Stegemann ihn nannte, während des Monats August in beispielloser Ordnung 
und Programmäßigkeit, bis der Heeresbericht am 8. September melden konnte: „An 
der Schlachtfront stehen wir überall in unseren neuen Stellungen"^). Was die 
Deutschen in einer Woche (in der Offensive gegen Amiens vom 21. bis 29. März; 
s. § 52—56) unter geringen Verlusten wie im Sturm erobert hatten (das 60 km 
breite Gelände westwärts der Hindenburglinie bis nahe vor Amiens), das hatten 
die Gegner in vierwöchigem blutigen, äußerst verlustreichem Ringen zurückgewinnen 
müssen. Erst jetzt standen sie da, wo sie bei Beginn ihrer Offensive wahrscheinlich 
hatten stehen wollen, vor der Hindenburgliuie. 
Über die vortreffliche Durchführung des Rückzugs und das heldenmütige Aus¬ 
harren der Nachhuten äußerten sich selbst feindliche Zeitungen anerkennend. Das „Journal 
des Döbats" schrieb unter dem 24. August?): „Mau täte unrecht, diesen Rückzug von vornherein 
als das Aufgeben des Offensivgeistes anzusehen. Die Deutschen können ruhig kleine und 
1) Auch im Norden, zwischen Dpern und dem Kanal von La Basste, wurde der nach 
Westen vorspringende Bogen (erobert in der Offensive „beiderseits Armentiöres", 9. bis 
26. April 1918) zurückgenommen, wobei auch der Kemmelberg (erobert am 25. April) 
wieder aufgegeben wurde (1. September). 
2) Die Daten beziehen sich ans den Tag, an dem die betreffende Nachricht nach Deutschland 
gelangte.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.