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5. Die große feindliche Gegenoffensive.
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Frontstücke zurückzunehmen verstand. Am wenigsten erreichten lange Zeit die Ameri¬
kaner in ihrem Frontstück zwischen den Argonnen und der Maas (Verdun). An die
moderne Kriegführung nicht gewöhnt, gingen sie ungedeckt, Welle auf Welle in großen
Scharen wie auf dem Sportplatz vor, um immer wieder von den deutschen Batterien
und Maschinengewehren hinweggemäht zu werden1),
c) Der Waffenstillstand.
Um die gleiche Zeit, als die Engländer in Flandern, die Franzosen und Amerikaner
beiderseits der Argonnen angriffen, der Kampf an der Westfront also seinen Höhe¬
punkt erreichte, gingen die Feinde auch auf den außereuropäischen Kriegsschau¬
plätzen zu neuen gewaltigen Offensiven vor, die leider von großem Erfolg gekrönt
waren. In Mazedonien wurde die bulgarische Front am 26. September in großer
Ausdehnung durchbrochen, worauf Bulgarien um Waffenstillstand nachsuchte. Wenige
Tage früher (am 15. September) erlitten die Türken in Palästina eine schwere Nieder¬
lage, die den Verlust ganz Palästinas und eines Teiles von Syrien zur Folge hatte.
Da auch Österreich-Ungarn am Ende seiner Kraft und feines Wollens war, so sah sich
die neue deutsche demokratische Regierung unter dem Reichskanzler Prinz Max von
Baden auf Veranlassung der Obersten Heeresleitung gezwungen, am 5. Oktober Wilson
zu ersuchen, eineu Waffenstillstand und Friedensverhandlungen auf Grund der Wilfon-
schen 14 Punkte herbeizuführen. (Ludendorff trat am 26. Oktober zurück.) Österreich-
Ungarn und die Türkei unternahmen den gleichen Schritt, warteten aber nicht ein
weiteres gemeinsames Vorgehen ab, sondern schlossen jedes für sich einen Souder-
Waffeustillstaud mit den Feinden. Der deutsche Notenwechsel mit Wilson zog sich noch
längere Zeit hin. Erst am 5. November reisten die Vertreter der deutschen Militär¬
behörden zu Waffenstillstandsverhandlungen an die Westfront ab.
Der Krieg an der Westfront nahm unterdessen seinen Fortgang. Hatte es Ende
September, Anfang Oktober den Eindruck gemacht, als ob in Teilen des deutschen
Heeres eine ernste moralische Krise bestünde, so schien diese nunmehr völlig über¬
wunden. Die feindlichen Kriegsberichterstatter sprachen immer nachdrücklicher von
der Versteifung der deutschen Front, während umgekehrt bei den Feinden der Sieges¬
jubel in ernste Bedenklichkeit umschlug. Besonders die Franzosen waren ermattet,
während die Engländer in Flandern noch weitere erhebliche Fortschritte machten.
Am 18. Oktober gaben wir Lille, Ostende und Brügge auf. Bei Unterzeichnung des
Waffenstillstandes am 11. November verlief die Front ungefähr in der Linie Gent,
Mons, Maubeuge, Meziöres, Sedan (am 9. November den Feinden überlassen), Etain
(östlich von Verdun), so daß von Frankreich nur noch ein schmaler Saum an der
belgischen Grenze besetzt war (der Zipfel von Givet und das Gebiet von Montmedy,
Longwy und Briey).
Über den Widerstand der Deutschen seien zwei feindliche Zeitungsstimmen angeführt.
„Petit Parisien" schreibt über die furchtbaren Kämpfe in der Hindenburglinie zwischen
x) $0n dkur Anfangserfolg am 26. September abgesehen, brachten erst die ersten November«
tage ihnen größere Erfolge. Wenn Foch — wie es scheint — wieder einmal den Plan hatte,
die Flügel (im Norden die Flandernfront, im Süden die Front Reims—Verdun) so weit vorzu¬
treiben, daß dadurch das große Mittelstück der deutschen Front von beiden Enden umgangen
und vernichtet werden konnte, so war dieser Plan allein schon durch doS langsame Vorwärts¬
kommen des Flügels Reims—Verdun gescheitert.