Full text: Vaterländische Geschichte

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von der Höhe wie eine dunkle Wolke; ein größerer Haufe Reiter wirbelte 
durcheinander, kleine und feurige Rosse, auf denen die Wendenkrieger mit 
hohem Knie saßen. Von allen Seiten drehten sie sich um die Fremden, der 
Führer gab ein Zeichen, unb vorwärts ging es auf dem kurzen Rasen, die 
Fremden in der Mitte. Vor ihnen breitete sich ein weites Tal ans, mit 
einzelnen alten Bäumen besetzt, unter denen die Krieger und ihre Pferde im 
Sommer den Schatten suchten. Im Tale war ein Ringwall aus Erde und 
Rasen errichtet, darin lag das runde Dors mit den Strohhütten, deren Dächer 
fast auf den Erdboden reichten. Wie das Lager eines Heerhaufens lag es da. 
Ganz in der Mitte des Dorfes erhob sich ein rundlicher Hügel, welcher eben¬ 
falls mit einem Ringwall umgeben war und die Halle des Häuptlings Ratiz 
und die Hütten seines Hofes umschloß. Auf langer Stange wehte sein 
Banner und grüßte die Fremden. 
Das Dorftor wurde geöffnet, und die Reiter stoben über den runden Platz 
am Fuße des Hügels. Dort kauerte am Dorfteiche ein Haufe halbnackter 
Weiber und Kinder, die Gesichter bleich und verworren das Haar, Gefangene 
aus dem Lande der Thüringer. In schnellem Ritt ging es nun den Hügel 
hinan. Wieder wurde der Balken eines Tores zurückgeschoben, die Rosse 
stampften in dem weiten Hofraum, die Fremden wurden zur Halle vor das 
Angesicht des Ratiz geführt. 
Inmitten seiner Vertrauten saß der Slawe auf einem Stuhl mit hoher 
Lehne und Seitenarmen wie ein Fürst, auf Schemeln um ihn her am Tisch 
die Führer seiner Haufen, wilde Gesichter darunter mit großen Narben. Der 
Häuptling war ein starker Krieger. Die Fremden neigten sich, Ratiz aber 
blieb mit seinem Gefolge sitzen und bewegte unmerklich das Haupt. 
Da wollte es unseren Freunden bedünken, daß es ihnen wohl schwer 
werden würde, das Ziel ihrer Fahrt ins Wendenland, die gefangenen Thüringer 
zu befreien, zu erreichen. Nach Freytag (Ahnen i). 
2. wie Markgraf Gero das fand Zwilchen Elbe und Oder erobert. 
Auf seiner Väter Burg Gersdorf weilte der gewaltige Bekämpfer der 
Wenden, Gero, wenn er ausruhte von den Mühen des Krieges. In ihren 
Hallen oder in ihrer Nähe ist der Schauplatz eines furchtbaren Ereignisses. 
Als in der Zeit, da Kaiser Otto am fernen Rhein kämpfte, wendische Völker¬ 
scharen im Norden und Osten die Grenzlandschaften des Reiches bedrängten 
und besonders im Harzgau und im nordthüringischen Gau die Fesseln abzu¬ 
schütteln strebten, zog ihnen Markgraf Gero entgegen. Mit gewaffneter Hand 
hatte er bald die Feinde des Vaterlandes gedemütigt und viele Ausstände mit 
Mut und Kraft unterdrückt. Die Fürsten der Wenden waren aber nach der 
erlittenen Demütigung von Rache gegen den Markgrafen entbrannt und trach¬ 
teten danach, dieselbe bei gelegener Zeit zu kühlen. Viele Versuche, ihm meuch¬ 
lings das Leben zu nehmen, mißglückten; denn das blitzende Auge Geros und 
sein stets bewaffneter Arm wußten jede Hinterlist frecher Gesellen zurück¬ 
zuweisen.
	        
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