Full text: Deutsche Geschichte mit Ausblick auf die Nachbarstaaten (Teil 3)

liegende Achse erglühte und das um die Speichen gewickelte Stroh in Brand setzte. 
An diesem „heiligen" Feuer entzündete jeder Hausvater ein Holzscheit und lief 
damit in seine Hütte, um mit der Flamme das Herdfeuer wieder in Brand zu setzen. 
Dann ward die Stube mit grünen Tannenzweigen ausgeschmückt. Am Abend 
saß die ganze Familie, Knecht und Magd eingeschlossen, zum fröhlichen Schmause 
um das brennende Herdfeuer beisammen. Ans dem Julsest ist unser Weihnachts¬ 
fest entstanden. 
7. Erforschung der Zukunft bei den Germanen. 
Selten unternahmen die Germanen eine wichtige Sache, ohne zuvor den 
Ansgang durch Weissagung zu erforschen. Durch gewisse Mittel glaubte man 
nämlich den Rat der Götter erkunden zu können. 
1. Los. Ein solches Mittel war z. B. das Los. 
„Einfach ist das Verfahren beim Losen. (Ein Reis von einem Fruchtbaume schneiden 
sie in kleine Stücke, bezeichnen diese mit gewissen Zeichen und streuen sie dann aufs 
Geratewohl über ein weißes Tuch. Dann hebt, wenn in Staatssachen Befragung geschieht, 
der Priester des Stammes, wenn es eine Privatangelegenheit gilt,'das f?aapt der Familie 
unter Anrufung der Götter, den Blick gen Fimmel gerichtet, drei Stücke nacheinander 
auf und deutet sie nach den vorher darauf bemerkten Zeichen." (Tacitus.) 
Die Zeichen auf den Zweigen nannte man Runen. (Rune — Geheimnis.) 
Meist waren sie in Stäbchen von Buchenholz eingeritzt. An die Runen erinnert 
noch das Wort „zurauueu", an die Stäbe aus Buchenholz das Wort „Buch¬ 
stabe", an das Auflesen der Stäbchen das Wort „lesen" — Sammeln der 
Schriftzeichen. 
2. Weise Franen. Allgemein verbreitet war bei den Germanen der Glaube 
an die Prophetengabe der Frauen. „In den Frauen, glauben sie, wohne etwas 
Heiliges und Prophetisches, und weder verschmähen sie ihren Rat, noch übersehen 
sie ihre Aussprüche." Sehr oft schöpften die „weisen Frauen" aus den 
Runen ihre Weissagungen, wie dies auch ihr Name „Alrunen" andeutet. 
3. Heilige Pferde. „Eigentümlich ist den Ger¬ 
manen, Weissagung und Rat von den Rossen zu heischen. 
Diese werden in geweihten Hainen und Wäldern unter¬ 
halten. weiß sind sie von Farbe, und kein irdischer 
Dienst hat sie je entweiht. Geschirrt an einen heiligen 
wagen, werden sie von dem Priester und dem Könige 
oder Fürsten des Landes geleitet, die auf das wiehern 
und Schnauben achten. Keine andere Weissagung hat 
mehr Glauben, nicht bloß bei dem Volke, sondern auch 
bei den vornehmen und Priestern." (Tacitus.) 
4. Zweikampf. Eine vierte Art, den Aus¬ 
gang eines ernsten Krieges zu erforschen, war der 
Zweikamps. 
„(Einen Kriegsgefangenen des Volkes, mit dem 
Alrune. man im Streite liegt, lassen sie mit einem Aus erwählten 
aus ihren Genossen, jeden mit den Waffen seines 
Landes, kämpfen. Der Sieg des einen oder des anderen wird als Vorbedeutung für 
die Entscheidung angesehen." (Tacitus.) 
5. Auch aus dem Fluge und Geschrei der Vögel suchte mau die Zukunft zu 
erforschen.
	        
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