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§ 21. Die Spaltung in Der abendländischen Kirche.
4. Reichstag zu Worms (1521). Inzwischen war nach Kaiser Maxi¬
milians Tode sein Enkel Karl V. zum Kaiser gewählt worden. Derselbe
war zugleich König von Spanien (mit seinen neuen Besitzungen in Amerika,
s. § 20. B. 2, 3) und Herzog von Burgund, so daß man sagte, in seinem
Reiche gehe die Sonne nicht unter. Karl V. erschien 1521 das erste Mal
als Kaiser im Deutschen Reich und berief einen Reichstag nach Worms,
vor dem auch Luther erscheinen und sich verantworten sollte. Unter dem
Schutze eines kaiserlichen Geleitsbriefes, der ihm des Kaisers Schutz auf der
Hin- und Rückreise verbürgte, zog er, trotz der Abmahnung seiner Freunde,
nach Worms. Unter ungeheurem Zudrange des Volkes zog er in die Stadt
ein. Am folgenden Tage wurde er vor die glänzende Reichsversammlung
geführt und zum Widerruf seiner Schriften aufgefordert. Er erbat sich
einen Tag Bedenkzeit. Am folgenden Tage erschien er wieder vor dem
Reichstage und verteidigte seine Lehre in einer langen Rede. Als er darauf
aufgefordert wurde, feine Lehre zu widerrufen, da erklärte er: „Es sei denn,
daß ich aus der Heiligen Schrift oder mit hellen Gründen überwiesen
werde, so kann und will ich nicht widerrufen!" Obgleich der Kaiser Luther
hierauf in die Acht und damit für vogelfrei erklärte, so hielt er ihm doch
das freie Geleit; er gönnte ihm einundzwanzig Tage zur Rückreise. Erst
nach dieser Zeit sollte die Achtserklärung in Kraft treten. — Als Luther
auf dem Wege nach Wittenberg in die Nähe der Stadt Eisenach kam, wurde
er plötzlich von vermummten Reitern überfallen, aus dem,Wagen gerissen
und auf die nahe Wartburg gebracht. Doch war der Überfall nur ein
scheinbarer; Kurfürst Friedrich der Weise hatte ihn angeordnet, um Luther
in Sicherheit zu bringen. Auf der Wartburg lebte dieser fast ein Jahr
unter dem Namen „Jnnker Jörg", von Freunden und Feinden für tot ge¬
halten, und begann hier seine Bibelübersetzung.
5. Fortgang der Kirchenspaltung. Während dieser Zeit erregte
Luthers Freund Dr. Karlstadt, ein schwärmerischer und unklarer Mann,
viele Unruhe durch seinen Bildersturm. Er warf mit seinen Genossen die
Bilder, Altäre und Orgeln aus den Kirchen, verwarf die Kindertaufe und
forderte die Taufe der Erwachsenen. Kaum hatte Luther von diesem Un¬
wesen Kunde erhalten, so kehrte er, trotz der Abmahnungen seines Kur¬
fürsten, nach Wittenberg zurück und stellte bald Ordnung und Ruhe wieder
her. — Er arbeitete nun mit seinen Genossen, namentlich dem gelehrten und
milddenkenden Melanchthon, fleißig an feiner Bibelübersetzung. Seine
erste deutsche Bibel erschien 1534.
Auch ging er in Wittenberg an eine Neuordnung des Gottesdienstes.
Er schasste die lateinische Messe und die Ohreubeichte ab, spendete das heilige
Abendmahl in beiderlei Gestalt und hob das Zölibat der Geistlichen aus.
Die Klöster wurden geöffnet, und Mönche und Nonnen durften heiraten.
Luther selbst heiratete eine frühere Nonne, Katharina von Bora. Für
den Unterricht der Jngend sorgte er eifrig; er empfahl die Einrichtung von
Schulen aufs wärmste und verfaßte einen Katechismus, auch dichtete er viele
Kirchenlieder. — Die Reformation fand bei vielen Fürsten und Städten