Full text: Hülfsbuch für den Unterricht in der deutschen Geschichte, mit besonderer Berücksichtigung der Kulturgeschichte

374 Deutsche Zustände während des großen 
Europas strömten Söldner herbei, und in den einzelnen Heeren waren 
die verschiedensten Völker und Glaubensbekenntnisse vertreten. Uni¬ 
formen gab es noch nicht; man erkannte einander an Feldbinden oder 
anderweitigen Abzeichen. Man hatte ja einfach der Fahne zu folgen, - 
bei der Reiterei Cornet genannt, — nach der Fahnenfarbe wurden 
die Regimenter benannt, später vorzugsweise nach dem Namen der 
Obersten. Aber nicht die Fahne, auf die man geschworen hatte, hielt 
diese Banden zusammen, sondern nur der Wunsch nach Beute; darum 
trat man ohne Bedenken von einer Partei zur andern über; nach 
verlorenen Schlachten liefen die Soldaten massenhaft davon, um dann 
auf eigene Faust zu rauben und zu stehlen. 
2. Das Lager. Bei der Anlage eines Lagers wurde zunächst 
in der Mitte ein großer Platz für den Feldherrn, feinen Stab und 
Me Hauptwache abgesteckt. Vor der Hauptwache war der Spielplatz 
der Soldaten, wo Karten und Würfel selten ruhten. Dahinter schlugeu 
die Marketender, die unter der Aussicht des Profoß standen, ihre Buden 
auf- Rund herum bauten sich die Soldaten ihre Zelte und Hütten 
aus Stroh und Brettern, nachdem sie, was sie brauchten, aus den 
Dörfern zusammengeschleppt hatten. Eine rings um das Lager lau¬ 
fende Wagenburg verlieh ihm größere Festigkeit. 
3. Sitten und Gebräuche. Die Kriegszucht der Deutschen stand 
schon beim Beginn des Krieges im schlechtesten Nus, aber auch die 
Truppen, welche ursprünglich die strengste Zucht zeigten, verwilderten 
sehr bald; selbst Gustav Adolf konnte seine Schweden kaum ein Jahr 
laug im Zaume halten. Tillys Scharen waren von Anfang an be¬ 
rüchtigt, doch standen ihnen die des Mansselders nicht nach. Die 
Schonung, welche die Kriegsgesetze fast aller Feldherren in Feindes¬ 
land anbefahlen, wurde nicht geübt und konnte schließlich nicht mehr 
geübt werden. Zu den Plünderungen und Räubereien, welche die 
Heere verübten, trug vor allem der Troß mit bei. Denn Scharen 
von Reiterbuben, Soldatenfrauen mit ihren Kindern, begleiteten die 
Truppe. Dies Gesindel konnte ohne Diebstahl und Raub nicht leben. 
Aber diese Mißstände hat der dreißigjährige Krieg nicht erst geschaffen, 
er fand sie bereits vor. 
Das abenteuerliche Leben des Kriegsmannes steigerte die Ge¬ 
nußsucht Aller und erzeugte ungeheuere Lasterhaftigkeit. Die Sehnsucht, 
diesem zügellosen Genießen möglichst lange zu fröhnen, beförderte den 
Aberglauben. So meinten die Soldaten, daß durch gewisse Mittel 
die Waffe tödlich, der Leib aber „gefroren," hieb-, stich- und schußfest
	        
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