Full text: Hülfsbuch für den Unterricht in der deutschen Geschichte, mit besonderer Berücksichtigung der Kulturgeschichte

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Deutsche Zustände während des großen 
nicht mehr gesehen, zeigten sich, von Osten her hereinströmend, in Massen in 
den verlassenen Einöden. Wölfe zogen selbst in Landschaften, die weniger 
vom Krieg heimgesucht waren, aus den Schlupfwinkeln hervor und 
durchwühlten die Brandstätten nach Leichnamen. In Sachsen hatten 
sie sich zuletzt so vermehrt, daß sie truppweise zu 15 bis 20 Stück 
in die Dörfer und in die kleinen Städte einbrachen. 
Wo so alles und jedes dahin war, woher sollten die Mittel zur 
Wiederherstellung kommen? Es fehlte nicht bloß an Bewohnern, es 
fehlte an Händen landwirtschaftlicher Arbeiter, an Vieh, an Samenge¬ 
treide, an Werkzeugen, an Ställen, Scheunen, Wohnungen, selbst oft 
an Holz, um dieselben wieder zu errichten, kurz an allem. Wie gering 
mußte der Ertrag von Feldern sein, die erst wieder urbar zu machen 
waren? Wo gab es noch Abnehmer der ländlichen Erzeugnisse, nach¬ 
dem die Städte in Trümmer lagen? 
Im Sturme der alles durcheinander rüttelnden Zeit war die 
Seßhaftigkeit des Landmanns verschwunden. Wohl hatten sich die 
Bewohner des flachen Landes und der offenen Flecken massenhaft in 
die befestigten Städte geflüchtet, um entweder dort zu bleiben oder 
bei wiederkehrender Sicherheit die alten Sitze wieder aufzusuchen. 
Tausende mögen sich auch in Waldungen und Gebirgen bis auf bessere 
Zeiten verborgen gehalten und eine Art Hin- und Herwandern zwischen 
Stadt und Land, Gebirge und Ebene in einer gewissen Regelmäßig¬ 
keit wiederholt haben; viele aber waren im Gefolge der Heere zu 
Plünderern geworden. Sie mischten sich unter die Scharen des ent¬ 
lassenen Kriegsvolkes, das raubend und plündernd, mit Zigeunern, 
Strolchen und Gaunern gemischt, durch die Lande zog und scharen¬ 
weise vor den Thoren der Städte herumlungerte. 
Wohl sind die so furchtbar gequälten Geistlichen zu rühmen, 
die immer von neuem die Zersprengten um die zerstörten und zer¬ 
fallenen Kirchen sammelten; auch haben die Landesherren alles gethan, 
die verödeten Landschaften wieder zu bevölkern, die Ausgewanderten 
in die Heimat zurückzurufen und durch besondere Vergünstigungen 
Fremde aus den Grenzländern heranzuziehen; aber trotzdem konnte es 
nur langsam vorwärts gehen. Wo natürlicher Reichtum des Bodens, 
günstiges Klima und die Aussicht auf bald lohnenden Arbeitsertrag 
zur Wiederaufnahme des Ackerbaues ermutigten, wie in den rheinischen 
Landen, in der Pfalz oder in Schwaben, da erstanden bald die 
Dörfer von neuem, und der Pflug ging wieder über die lange ver¬ 
wilderten Felder; wo aber die Natur spröder und das Leben härter
	        
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