Full text: Hülfsbuch für den Unterricht in der deutschen Geschichte, mit besonderer Berücksichtigung der Kulturgeschichte

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Achtzehntes HarMSck. 
schweren Verbrechen wird der Verbrecher vor Vollziehung 
der Strafe unter dem Thore des Gerichtshofes ausge. 
stellt. Auf Ketzerei ist Leibesstrafe, aus Ehebruch und 
Doppelehe bei Männern lebenslängliche öffentliche Arbeit, 
bei Weibern 20jährige Zuchthausstrafe gesetzt. Was un¬ 
ehliche Geburten anbelangt, so wird nicht die Geschwächte, 
sondern der Verführer allein gestraft. Auf Schadenersatz er. 
kennt der Richter, auch ohne vorhergegangne Bitte des 
Beleidigten, gleich im Urtheil; concurrirt der Schaden, 
ersatz mit einer bei Gelegenheit des Verbrechens entstand- 
nen Schuld an den landesherrlichen Fiscus, so geht je¬ 
ner den Ansprüchen des Fiscus vor. Jedem Kriminal- 
urtheil müssen Entscheidungsgründe beigefügt seyn. So 
mild dieses Gesetz ist, so streng wurde es vollzogen: kein 
Kollegium durfte eine gesetzliche Strafe mildern oder ver¬ 
wandeln, und nur in ganz ausserordentlichen Fällen durfte 
dem Großherzog ein Begnadigungsgesuch vorgetragen wer¬ 
den. Daher sank die Zahl der Kriminalprozesse all- 
mählig auf die Hälfte herab, und in sämmtlichen Ge¬ 
fängnissen von Toskana saßen oft nur 4 bis 8 Verbre¬ 
cher. Um gute Hausmütter zu bilden, errichtete Leopold, 
ausser mehreren Freischulen, 1765 durchs ganze Groß- 
herzogrhum, unter Anweisung beträchtlicher Summen 
aus seinem Schatze, etliche und achtzig sogenannte Con- 
servatorien für Mädchen: das Kostgeld war sehr mäßig, 
der Erziehungsplan musterhaft, und an der Spitze stand 
die erprobteste Hausmutter, die ehrwürdige Großherzogin 
selbst. Für beide Geschlechter legte er zu Florenz in je¬ 
dem Viertel eine Freischule, in Livorno eine Freischule 
für Soldatenkinder an, und vervrdnete, daß in jedem 
Kloster auf dem Land unentgeldlich im Rechnen und Schrei¬ 
ben Unterricht gegeben werde. Für Unterricht des Vol- 
kes überhaupt sorgte er durch treffliche Anstalten wegen 
Besetzung der Pfarrstellen, durch Vermehrung der Pfar* 
rer, durch Sorgfalt für ihr anständiges Auskommen, so¬ 
wie durch die Vorschrift: „sie sollten eine ächte christliche 
Moral den Predigten vvrziehen, weil Predigten oft blos
	        
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