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Die Zeit der Freiheitskriege
Alliance an. Blücher, obwohl eben geschlagen, hatte versprochen,
mit seinen Truppen Unterstützung zu bringen. Aber der Sonntags-
morgen machte ein sehr unfreundliches Gesicht; der Regen goß in
Strömen vom Himmel. Wohl freute sich Blücher des „Alliierten von
der Katzbach, der dem Könige wieder viel Pulver erspare," aber der
alte Verbündete versumpfte alle Wege. Mühselig marschierte das
Fußvolk dahin, die Kanonen sanken bis an die Achsen in den auf¬
geweichten Lehmboden ein und mußten mit aller Anstrengung immer
wieder herausgehoben werden. Blücher, immer noch von heftigen
Schmerzen gequält, ritt an die Soldaten heran: „Kinder," rief er,
„wir müssen vorwärts. Es heißt wohl, es geht nicht, aber es muß
gehen. Ich habe es ja meinem Bruder Wellington versprochen, ihr
wollt doch nicht, daß ich wortbrüchig werde?" Das spornte die Leute
zur höchsten Anspannung der Kräfte an, willig ertrugen sie alle Be¬
schwerden. Es war die höchste Zeit, daß Blücher kam. Die Eng¬
länder waren von Napoleon nach stundenlangem Ringen ziemlich zu¬
rückgeworfen und Wellington sah die Entscheidung nahen. Da griffen
die Preußen in den letzten Stunden des Nachmittags ein, und
Napoleon gab die Schlacht verloren. „Ms nach und nach der
Schlachtenlärm bis auf das nah und fern hörbare Gerassel von Waffen und
Geschütz und das Jauchzen der Sieger verhallt und das Kommando zum Ge-
wehrabnehmen und Ruhen gegeben war, da stimmten vom rechten Flügel her die
Musikchöre, wie auf ein gegebenes und doch nicht verabredetes Zeichen, die Melodie
„Nun danket alle Gott" an. Wie aus einer Brust erscholl aus vielen tausend Kehlen
augenblicklich der den schönen Choral begleitende Gesang, der alle Herzen in einer
Art ergriff, die sich nicht aussprechen läßt. Der Eindruck war gewaltig. Jeder,
auch der roheste, fühlte, was sein Mund sang, jeder empfand während des erheben¬
den Gesanges, daß „Gott große Dinge an uns gethan habe." Kameraden, Freunde,
Bekannte und Unbekannte, Offiziere und Soldaten drückten sich stumm die Hände,
und in diesem Augenblick schwanden Rang und Stand, die Offiziere eilten zu den
Soldaten, diese verließen Reihe und Glied, um sich gegenseitig in die Arme zu fallen,
und so sprach ein Herz, eine Seele den großen Eindruck aus, der durch den Jammer
und das Stöhnen der umherliegenden Verwundeten von Freund und Feind noch
ernster und tiefer wurde. So endete dieser Tag als wohl der in seiner Art einzige,
den, außer betn der Leipziger Schlacht, Soldaten erlebt und große Heere gefeiert
haben bürsten." Jetzt galt es, den glänzenden Sieg durch Verfolgung
des Feindes auszunützen. Die Engländer erklärten sich dazu außer¬
stande, so thaten es die Preußen unter Gneisenau. In dem Flecken
Genappe, 4 km von dem Schlachtfelde, setzten sich die Franzosen zur
Wehr; sowie aber die Preußen Feuer gaben, ließen sie alles im Stich,
um das Leben zu retten. Unermeßliche Beute fiel dabei in die Hände
der Preußen. Napoleon selbst verlor seine Kasse, seine Juwelen und