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Das Zeitalter Wilhelms I.
laut geworden war, brach allerorten aus, als die unglaubliche Kunde
durch die deutschen Lande flog.
„Die Kinder rnfen's in den Gassen aus,
Den Männern rollen Thränen von den Wangen,
In Flaggen hüllt sich festlich Haus um Haus;
Viktoria! der Kaiser ist gefangen!" Karl Gerok.
f) Die Erklärung der Republik in Paris. Auf die
Nachricht vou Sedan hin brach das Kaisertum am 4. September zu¬
sammen. Auf Jules Fabres Antrag verkündigte die Linke im gesetz¬
gebenden Körper am 4. September die Republik; lärmend stimmte die
Volksmenge der Hauptstadt zu und riß das Land mit sich fort; an
demselben Tage reiste die Kaiserin-Regentin Eugeuie aus Paris ab
nach England.
g) DerKampf gegen die Festungen. Frankreichs Wider¬
standskraft beruhte nur noch in den Festungen Straßburg, Metz und Paris.
Der Kronprinz hatte nach der Schlacht bei Wörth die Festung Straßburg
einschließen lassen. Die Oberleitung der Belagerung übernahm nach der
Erkrankung des Generals Beyer der thatkräftige General von Werder.
Vom 24. bis 28. August wurden die Stadt und Festung beschossen.
Aber der tapfere Kommandant, General Uhrich, leistete zähen Wider¬
stand. Erst als die Belagerungsarbeiten so weit vorgeschritten waren,
daß ein unmittelbarer Sturm bevorstand, stieg am 27. September
gegen 51/2 Uhr die weiße Fahne auf dem Münsterturm auf. Das
furchtbare Feuer der Deutschen verstummte, am 28. September nachts
2 Uhr wurde die Kapitulation unterzeichnet. Am 30. September, an
demselben Tage, an dem Straßburg vor 189 Jahren den Franzosen
schimpflich übergeben worden war, hielt sodann General Werder mit dem
Großherzog von Baden seinen Einzug in die wiedergewonnene Stadt.
Ganz anders dagegen war die Lage vor Metz. Die in der
Festung eingeschlossene „Rheinarmee" war an Stärke dem Belagerungs¬
heere ungefähr gleich. Sie war durch eine Belagerung nicht zu ge¬
winnen, es galt nur, die eingeschlossene Armee nicht entkommen zu
lassen. An Durchbruchsversuchen ließ es der Kommandant und Ober¬
befehlshaber Bazaine nicht fehlen. So versuchte er es am 31. August
und am 1. September, als er von dem Nahen Mac Mahons unter¬
richtet worden war. Indes diese Versuche mißlangen, wie alle anderen.
Die Deutschen hielten stand trotz des feuchten Herbstwetters und arger
Krankheiten, die viele Opfer forderten, bis das französische Heer sich
ergab. Am 27. Oktober fiel die für unbezwingbar gehaltene Festung