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glänzenden Sieges über die Franzosen; er erinnerte einen jeden an
eine ehrenvolle, militärische Vergangenheit und sie alle an den
Preußennamen und heischte dann von ihnen Blut und Leben für
den Tag, da Preußens Geschicke sich entscheiden mußten. Dem aber,
der die preußische Sache verloren gäbe und sich von ihm trennen
wolle, sagte er hier aus der Stelle den Abschied zu, ohne daß den,
Mann ein Vorwurf treffen solle. Es war das doch mehr, als eine?
nur auf die oratorische Wirkung be^chLLte^Form. Wie viele von
diesen kreuzbraven Haudegen^hatken nicht seit dem Unglückstage von ,
Kolin sich in die Vorstellung hineingeredet, daß. es aus dem Ver¬
derben kein Entrinnen mehr gäbe. Schon ging bei dem Feinde die
Rede, daß der König von Preußen von seinen ersten Generalen und
Verwandten verlassen werde; blkLkich der Prinz von Preußen dem
Heere dauernd fern, und glaubte man doch im österreichischen Haupt¬
quartier zunächst ganz fest, daß der Henoa von Bevern sich ab¬
sichtlich habe gefangennehmen lassen. Vor allem aber Hr Tapfersten
einer, Moritz von Dessau, hatte vor kurzem, eingeschüchtert durch die
Drohungen des Reichshofrats, seine Entlassung aus dem preußischen
Kriegsdienst nachgesucht und soll noch hier in Parchwitz zu einigen
Offizieren gesagt haben, daß die Lage verzweifelt sei und leider in
wenigen Tagen noch verzweifelter werden würde. Jetzt mag sich
sein Blick zu Boden gesenkt haben, wenn auf jene Aufforderung des
Königs der biedere Maior Billerbeck in die lautlose Stille mit dem
Kraftwort hineinplatzte: „Das müßte ja ein infamer Hundsfott sein,
jetzt wäre es Zeit."
Den Truppen ward kundgegeben, daß Seine Majestät den
Feind angreifen würden, wo Sie ihn fänden und zu Ihrer Armee
das Zutrauen hätten, sie würde in eben der Absicht, wie Seine
Majestät, dem Feind entgegenmarschieren, zu siegen oder zu sterben.
Für jedes erbeutete Geschütz wurde ein Ehrenlohn von 100 Dukaten
zugesichert. Da und dort redete der König beim Ritt durch das
Lager selber die Leute an und freute sich ihrer treuherzigen Ent¬
gegnungen und des selbstbewußten Trostwortes, daß bei dem Feinde
"kMe Pommern" seien: „Du weißt ja wohl, was die können!"
, "Ich hoffe noch alles wieder gutzumachen", schreibt der König
an diesem 3. Dezember an Ferdinand von Braunschweig, „obgleich
ich nicht leugnen kann, daß es mir sehr viel Mühe kosten wird, und
daß ich hier die schwierigste und gewagteste Unternehmung vor mir
habe, die ich trotzdem mit dem Beistand des lieben Gottes zu be¬
wältigen hoffe." _ Es ist nicht das einzige Mal in diesen Parchwitzer
Tagen, daß Friedrich der Hoffnung aus eine höhere Hilfe Aus¬
druck gibt.
Am nächsten Morgen ward das Lager aufgehoben, das Marsch- / '
ziel war Neumarkt. Die kleine Stadt war von Kroaten besetzt, ^
abgesessene Husaren — denn die Infanterie war noch zurück —
sprengten das Stadttor und erbeuteten die Feldbäckerei des öster-
Beyer. Lesebuch zur Deutschen (Beschichte. II. g