Full text: Von der Urzeit bis zum Dreißigjährigen Kriege (Teil 1)

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bem späteren Abfall ber Kirche würbe, insofern biefe nicht allein in 
ber Theologie, sonbern auch in ben populären Gefühlen wurzelte". 
„Was Luther", so fährt er fort, „im Eingang seiner Schrift an ben 
christlichen Abel beutscher Nation beklagt, baß bie teuren Fürsten 
Friebrich ber Erste unb ber Anbere unb viel mehr beutscher Kaiser 
so jämmerlich von ben Päpsten mit Füßen getreten unb verbrückt 
seien, bavon hat sich eine Empfinbung, zumal in ben beutschen 
Stäbten, welche sich zuletzt eben beswegen für bie untergehenbe 
staufische Sache schlugen, burch bie Jahrhunberte bes sinkenben 
Mittelalters erhalten." 
Hampe, Deutsche Kaisergeschichte. S. 243—257. 
XXV* Die Selbstzersetzung 
des hierarchischen Systems und die Steigerung des 
nationalen Bewußtseins. 
In ber Vollenbung bes asketisch-hierarchischen Systems war 
bereits bie Ursache seiner Auflösung enthalten. Denn eben bie 
Kreuzzüge, in welchen bas System seinen höchsten Triumph feierte, 
führten bas Mittelalter aus bem Zwange besselbeu hinaus. Seit 
ben Tagen Gregors VII. hatte bie Kirche zur Durchführung ihrer 
religiösen Zbeale bie Volksmassen ausgerufen, sei es, um bie wider¬ 
spenstigen Priester unb weltlichen Großen mit Hilfe berselben ihrem 
Gebote zu unterwerfen, sei es, um bas Heilige Lanb ben Ungläubigen 
zu entreißen. Borberhanb hatte bie Kirche auf biesem Wege in 
ber Tat auch ihre Zwecke erreicht. Mit Hilfe bes Volkes hatte sie 
Priester unb Könige bezwungen unb bas Heilige Lanb ber Herrschaft 
bes Kreuzes zurückerobert. Aber bie einmal in Bewegung gesetzten 
Volksmassen blieben bei ben ihnen von ber Kirche vorgezeichneten 
Zielen nicht stehen. In ber Ausführung ber kirchlichen Zwecke 
hatte sich ihnen eine Welt neuer Lebensinteressen geöffnet, welche, 
einmal ergriffen, bauernb festgehalten würben unb bas ursprünglich 
für bie religiösen Jbeale ber Kirche begeisterte Volk immer weiter 
von ber letzteren ablenkten. Denn eben bie Kreuzfahrten waren es, 
welche bas Abenblanb mit tausenb neuen gaben an bas Diesseits 
verknüpften. Darum waren jene größten Errungenschaften ber 
religiösen Askese unb ber hierarchischen Macht zugleich bie Quelle 
einer neuen, weltlichen Kultur, welche bas System bes klassischen 
Mittelalters zerbrach. Die weltherrschaftliche Politik ber Kirche 
hatte eine Bereicherung bes wirtschaftlichen unb geistigen Lebens 
zur Folge, welche ben enggespannten Rahmen ber asketischen Sitten - 
lehre versprengte. In bemfetben Verhältnisse aber als bie abenb- 
Tanbifchen Völker mit ber Weltlichkeit zusammenwuchsen, machten sie 
sich von bem Machtgebote ber römischen Hierarchie frei. Wie sich 
bie Kirche auf ber Grunblage ihrer asketischen Sittenlehre aufgebaut 
hatte, so mußte ihre Macht mit bem Verfalle ber letzteren auch mehr
	        
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