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6. Kapitel. Geschichte der Künste.
Sechstes Kapitel.
Geschichte der Künste und Wissenschaften.
$. i. Allgemeine Beschaffenheit der menschlichen Kenntnisse.
^ey dem Einbrüche der deutschen Nationen in das römische
Reich verloren sich die wissenschaftlichen Kenntnisse aus dem
Avendlande, und nur in Italien erhielten sich Ueberbleibsel da¬
von durch den Schutz des Königs Dieterich und seiner Minister.
Unter der longobardischen Herrschaft gingen sie auch hier verlo¬
ren. In dem morgenländischen Kaiserthume fanden sie stets
viele Freunde, die in den Zweigen derselben, weiche bcm Geiste
der Zeiten gemäß waren, Fortschritte machten. Der Chans Al
Mansur und Nestorianer lehrten sie die Araber im achten
Jahrhundert kennen, die sie seitdem eifrig trieben. Im Occi¬
dente verhinderten die ununterbrochenen, zerstörenden Kriege,
und der dadurch bey den Großen erhaltene Geist des Kriegs
ihre Wiederherstellung völlig. Nur Geistliche legten sich so
ausschließend darauf, daß man einen Gelehrten mit dem Na¬
men: Klerikus, bezeichnen. Aber sie trieben nur theologische
Wissenschaften und Dialektik, und verwarfen oder umercrück-
ten alle andere, besonders seit Papst Gregors I. Zeiten. Die
Unwissenheit der Laien war eine zu wichtige Stütze der Macht
der Geistlichen, als daß sie sich hatten bemühen sollen, sie zu
heben. Der Geist der Alten wirkte so lange, als man ihre
Schriften las. So hatte das fünfte Jahrhundert noch einige
geschickte Gelehrte, an deren Spitze Doethius und Kassiodorus
stehen. Als aber dieses aufhörte, verschwanden auch Aufklä¬
rung und Gelehrsamkeit immer mehr. England und Irland
hatten im achten Jahrhundert einige bessep unterrichtete Maar
mr, z. B. Deda u. a.
$• 2. Hülfsmittel der Gelehrsamkeit.
Man schrieb in der lateinischen, griechischen, rabbinischen,
arabischen, deutschen und angelsächsischen Sprache. Daß die
Kenntniß der lateinischen durch den Gottesdienst erhalten wur¬
de, war das einzige Mittel, eine Art Verbindung zwischen den
europäischen Nationen zu erhalten, und Gewinn für die Ge¬
lehrsamkeit. Man hatte tm Occidente mehrere Schulen, wo¬
rin der Unterricht in bas Trivium und O.uadrivium getheilt
war. Im Oriente waren Konstantinopel und Alexandrien die
größten Schulen. Der Unterricht war überall dürftig und