Full text: Vaterländische Geschichte für Mädchenschulen

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nommen habe. Sein Kammerdiener sah ihn oft mit Thränen 
in den Augen vor ihrem Bilde stehen und hörte ihn aus¬ 
rufen: „O Luise, wie sehr vermisse ich Deinen guten Rat!" 
Sie ist den Brandenburgern eine gute Landesmutter 
gewesen. Durch ihre Großmut und ihr liebenswürdiges Be¬ 
nehmen gewann sie sich die Zuneigung des Volkes. Den 
durch den dreißigjährigen Krieg sehr verarmten Bauern suchte 
sie dadurch aufzuhelfen, daß sie aus ihrer Heimat Rindvieh, 
ferner Kartoffeln und andere Gartengewächse kommen ließ und 
Musterwirtschaften anlegte. Sie führte auch die Obst- 
baum- und Blumenzucht in die Mark ein. Die Kurfürstin 
erzog ihre Kinder zu einem sittenreinen Leben. Sie sagte 
ihnen, daß Tugend allein Macht verleihe, und wo diese 
fehle, auch die Macht gefährdet sei. Luise war äußerst 
strenge gegen sich selbst und von nngeheuchelter Frömmig¬ 
keit. Jeden Dienstag hielt sie einen Fasttag. Der Morgen war 
dem Gottesdienste gewidmet, nachmittags schrieb sie in der 
Regel einen Brief an ihre Mutter. Daun ließ sie ihren 
Gewissensrat, den Pastor S t o s ch i u s, zu sich kommen und 
redete mit ihm über religiöse Diuge. Dieser Geistliche hatte 
von ihr den strengen Befehl, sie auf alles Sündhafte, 
das er in ihrem Lebenswandel finde, aufmerksam zu machen. 
Die Kurfürstin ist auch als Dichterin geschätzt. Wir be¬ 
sitzen von ihr mehrere geistliche Lieder, unter denen das 
schönste, „Jesus meine Zuversicht," Gemeingut des deutschen 
Volkes geworden ist. 
59- Friedrich I. und seine Gemahlin Sophie 
Lharlotte. 
(Preußen wird Königreich.) 
Der Nachfolger des großen Kurfürsten wurde dessen 
Sohu Friedrich III. Er war ein großer Förderer der Kunst 
und Wissenschaft, aber auch sehr prachtliebend und ver¬ 
schwenderisch. Sein Bestreben ging dahin, König zu werden. 
Dazu mußte er aber die Zustimmung des deutschen Kaisers 
Leopold I. Haben. Diese erhielt er auch, nachdem er ihm 
lOOOO Mann Hülsstrnppen zu stellen versprach. Darauf 
reiste er nach Königsberg, setzte sich dort am 18. Januar
	        
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