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bemerkte, daß einer der wachthabenden Gardehusaren weinte.
Dies machte ihn aufmerksam, und er fragte nach dem Grunde.
Die Mutter des Soldaten lag im Sterben und des nahe
bevorstehenden Manövers wegen war ihm Urlaub verweigert
worden.
Der König ließ sofort den Regimentscommandeur holen
und sagte: „Wissen Sie denn keinen Unterschied
zu machen? Haben Sie denn so wenig Herz und
Gefühl, daß Sie glauben konnten, ich hätte einem
Sohn verbieten wollen, der Mutter die Augen zu¬
zudrücken?"
Der Husar erhielt Urlaub und sünszehn Thaler Reisegeld.
Friedrich Wilhelm IV. in der Schule.
Als der König einst auf Rügen war, hatten sich die
Schulkinder einer Ortschaft versammelt, um ihn feierlich zu
begrüßen. Der König ließ einige Körbe voll Obst und
Kuchen zur Verteilung an die Kleinen bereitstellen. Dann
trat er an sie heran, redete mit ihnen und fing an, sie zu
examinieren. Zuerst hielt er ein Goldstück in die Höhe und
fragte: „Kinder, in welches Reich gehört dies?" Da erscholl
die Antwort: „Ins Mineralreich." Dann nahm er einen
Apfel, hielt ihn in die Höbe und fragte: „Kinder, in welches
Reich gehört dieser?" - „Ins Pflanzenreich!" — „Nun
aber," fuhr der König fort, „Kinder, in welches Reich
gehöre denn ich?" — Lautlose Stille. Da hob ein
kleines Mädchen die Hand in die Höhe zum Zeichen, daß
sie es wisse. „Nun, mein Kmd?" fragte der König. —
„Ins Himmelreich!" war die Antwort. Da traten
dem König die Thränen in die Augen, er küßte das
Mädchen herzlich und beschenkte es sehr reichlich.
Heitere Einfälle.
Als der König einmal durch Reichenbach in Schlesien
fuhr, ließ er auf dem Marktplatze halten, wo der Bürger¬
meister an den Wagen trat, um ihm eine längere Empfangs¬
rede zu halten. Am folgenden Tage sollte gerade Jahrmarkt
abgehalten werden; zu diesem Zwecke waren bereits einige