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ihr Kassenverwalter es wagte, sie bescheiden zu bitten, die
Liebesgaben einzuschränken, sprach sie: „In diesen Dingen
la^se ich mich nicht beschränken."
Die Königin in der Handarbeitsschule.
Gerne besuchte sie die sogenannten Erwerbsschulen, wo
arrmre Kinder für das bürgerliche Leben vorbereitet wurden
Doch bedenklich schüttelte sie den Kops, als fast alle Mädchen
Mckten und häkelten, und nur selten eines strickte, flickte
stopfte Wäsche nähte und zeichnete. Dies gefiel der Königin
nicht, denn sie wußte wohl, daß Kinder aus dem Arbeiter-
Handwerkerstände zunächst stricken und flicken können
bluffen. Bei den wenigen Kindern, die da strickten und
stopften, blieb sie stehen, besah die Arbeit, sagte auch er¬
munternde Worte und beschenkte manche auch mit Fingerhut
und Schere. Die Stickereien der übrigen Kinder aber sah
sie lncht an. Von jetzt ab wurde es allmählich anders in
der schule, und es kam dahin, daß die Kinder serner nur
Handarbeiten für das bürgerliche Hauswesen anfertigten.
Sanftmut der Königin Elisabeth.
Der König, geistreich, lebhaft und übersprudelnd, konnte
sich schwer in die Regeln einer festen Hausordnung finden.
Die Königin hingegen, pünktlich und treu im kleinen, kannte
den heilsamen Einfluß der Ordnung und mochte nicht gern
die festen Regeln durchbrechen lassen, und wäre es auch die
festgesetzte Essenszeit. Ließ sie dem Könige melden, daß der
Kaffee aus dem Tische stände, so blieb der Gemahl noch
meistens im Lehnstuhl sitzen, sich mit seinen Leibärzten oder
sonstigen Personen unterhaltend oder eine Zeitung lesend.
Erschien er nach einer weiteren Meldung nicht am Tische,
so begab sich die Königin in sein Zimmer, nahm anfangs
freundlich an der Unterhaltung teil und erfaßte dann ihren
Gemahl beim Arm und zog ihn sanft mit sich fort. Un¬
aufhaltsam unterhielt er sich jedoch weiter, und wenn er sich
der Thüre näherte, redete er noch, den Kopf rückwärts ge¬
wendet, munter weiter, worauf die Königin wohl sagte:
„Nun, mach doch. Wilhelm!"