Full text: Das Haus Hohenzollern

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Feldmarschalls sein Beileid in ergreifenden Worten kund. 
Bei der später folgenden Trauerfeierlichkeit aber ließ er der 
irdischen Hülle des entseelten Helden die höchsten 
militärischen Ehren zu teil werden. 
„Schier dreißig Jahre bist du alt." 
Ein eigenartiger Glückwunsch wurde unserm Kaiser an 
seinem dreißigsten Geburtstag von einem Berliner Postillion, 
Namens Gerlach, dargebracht. Als Gerlach in der Morgen¬ 
dämmerung des 27. Januar mit den für das Schloß be¬ 
stimmten Postsendungen in das Schloßthor einfuhr, glaubte 
er an einem der Fenster unseren Kaiser zu erblicken, was 
ja auch leicht möglich war, da Wilhelm II. kein Freund 
langen Schlafens ist, sondern früher wie mancher seiner 
Unterthanen zur Arbeit eilt: denn der Herrscher eines so 
großen Reiches hat gar viele Regierungsgeschäfte zu erledigen. 
Schnell griff der Postillion zu seinem Posthorn unt> 
brachte dem kaiserlichen Geburtstagskinde einen außergewöhn¬ 
lichen Festgruß dar, indem er die Melodie des bekannten 
Mantelliedes aus Holteis Leonore „Schier dreißig Jahre 
bist du alt" blies. Hell klangen die schmetternden Töne 
durch die klare Luft des Januarmorgens zu den kaiserlichen 
Fenstern empor, und schnell hatte sich trotz der frühen 
Morgenstunde eine große Menschenmenge, welche sich durch 
laute Hochrufe der Ovation anschloß, um den Postwagen 
versammelt. Wenige Tage daraus wurde Gerlach von seiner 
vorgesetzten Behörde die Mitteilung, daß er zu Sr. Ma¬ 
jestät befohlen sei. Klopfenden Herzens warf er sich in seine 
Gala-Uniform, war aber freudig überrascht, als er nach 
kurzem Warten im Vorzimmer direkt in das kaiserliche 
Arbeitsgemach geführt wurde, wo ihm der Kaiser in freund¬ 
lichen Worten feinen Dank für die eigenartige Gratulation 
aussprach. Die Frage des Kaisers, ob er hierdurch auch 
nichts im Dienste versäumt habe, beantwortete Gerlach schlag¬ 
fertig mit den Worten: „Hab' ich alles wieder eingeholt, 
Majestät." Freundlich lächelnd entließ ihn der Kaiser, sorgte 
aber auch dafür, daß er zur weiteren Ausbildung feiner 
musikalischen Talente einen Hundertmarkschein mit 
auf den Weg bekam.
	        
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