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„Lieber Kaiser! Kinderhände
Wanden dir den schlichten Strauß,
Daß die dnft'ge Blumenspende
Bring' den Frühling dir ins Haus!
Und so viele Kinderherzen
Bitten täglich Gott für dich,
Daß durch allen Kampf und Schmerzen
Er dich führe väterlich!
Lieber Kaiser, stets aufs neue,
Wenn dich Veilchenduft umweht,
Wird durch unsre Lieb' und Treue
Jede Blüte ein Gebet."
Kaiserin Friedrich,
geb. 21. November 1840.
Die Kaiserin Viktoria und der Schuhmacher.
Das Streben redlicher Leute förderte die Kaiserin schon
als Kronprinzessin gern. Als ihre Tochter Charlotte noch
klein war, ging sie einst mit derselben durch Potsdam.
In dem Kellerfenster eines Hauses las sie folgende Anzeige
eines Schuhmachers: „Einem hochlöblichen Publikum zeige
ich an, daß ich wegen der schlechten Zeiten alle Flickarbeiten
billig und gut besorge, daß aber auch neue Arbeiten bei mir
sauber und billig zu haben sind." Unmittelbar darauf stieg
die damalige Kronprinzessin Viktoria mit ihrer Tochter in
den Keller und ließ derselben von dem Meister zu einem
Paar Schuhe Maß nehmen. Der Mann, welcher die hohe
Frau nicht kannte, erhielt im voraus ein Goldstück mit dem
Bedeuten, die fertigen Schuhe an die Kronprinzessin zu
senden. „An die Kronprinzessin?" fragte der Meister er¬
staunt; „Herr des Himmels, Sie sind's doch etwa nicht
selber?" Freundlich nickend verließ die hohe Frau den
Keller, und es ist wohl anzunehmen, daß der Schuhmacher
die neuen Schuhe vorzüglich hergestellt hat.
Kaiserin Viktoria und die Lehrersfrau in Bornstedt.
Kronprinzessin Viktoria besuchte oft den Unterricht in
der Dorfschule und unterhielt sich dann auch lange und gern