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aus welchem die Dörfer freundlich wie Inseln hervortauchen. An den mit Laubholz
bekleideten Thalwänden springen hie und da kegelförmige Berge vor, von deren
dichtbewaldeten Höhen die Trümmer einer alten Feste ernst und an die Vergäng¬
lichkeit aller irdischen Dinge erinnernd herniederschauen, so z. B. die Feste Hohen-
nrach im Ermsthal. Die Thäler der Donauseite bieten ein anderes Aussehen dar,
find aber auch mitunter noch recht lieblich. Auf flachem, baumlosem Wiesengrund,
zwischen meist gebüschlosen Ufern, schlängeln sich die Flüßchen in einem schlammigen,
von Wasserpflanzen besetzten Bett, welches manchmal von Felsbänken unterbrochen
ist, still und ruhig mit vielen Krümmungen fort. Die Thalwände sind zwar steil,
oft senkrecht, aber nicht so hoch, wie bei den Neckarthälern. Auch an Trümmern
von Burgen fehlt es nicht, namentlich im Lauter- und im Lauchartthal, und sie dienen
NM so mehr zur Zierde, als diese Thäler überhaupt anspruchsloser, stiller und ein¬
förmiger sind, als die Neckarthäler.
Wenn man nun die Hochfläche der Alb ersteigt, da sieht man nichts als öde,
von kleinen Waldstrecken unterbrochene Ebenen mit der ermüdend einförmigen Ab¬
wechslung von meist kesselrunden Vertiefungen und flachen Anhöhen, welche gerade
nur so hoch sind, daß sie einem immer wieder die erwartete Fernsicht verdecken.
Hier kommen lange Feldstrecken, die mit Nasen überwachsen sind; denn sie sind wegen
ihrer weiten Entfernung von den Ortschaften, und weil es an Dünger fehlt, schon
sechs bis neun Jahre unbebaut und liegen als Weiden oder Mähder brach. Dort
sieht man Aecker, wo die Halme so dünn stehen, daß man meint, es sei etwa hie
und da ein in der Ernte ausgefallenes Korn aufgegangen, überdies sind sie mit viel
Unkraut untermengt. Das Seltsamste aber, was einem Fremden am meisten auffällt,
ist das: der schwarze, dünne Boden ist von zahllosen, blendendweißen Steinen wie
übersäet. Diese sind jedoch eine Wohlthat; denn ohne sie würden die heftigen Winde,
die fast immer über die Alb hinstreichen, die leichte Erde fortwehen, auch erhalten
diese Steine dem Boden seine Feuchtigkeit. Auch sind diese Aecker nicht unfruchtbar,
ja es fehlt sogar nicht an üppigen Getreidefeldern, daß die Alb mehr Frucht erzeugt,
als sie für den eigenen Bedarf nöthig hat. Von Weinbau kann natürlich keine Rede
sein, die Obstzucht ist beschränkt; der Winter dauert lang und ist sehr schneereich,
so daß die Wohnungen in Schneemassen wie begraben sind; Frühlings- und Herbst¬
fröste sind häufig, die Sommernächte oft kalt, Nebel und Reifen kommen bis in
den Sommer hinein vor, so daß die Heumäher oft Eis aus dem Gras treffen. Die
Thäler, namentlich die nordwestlichen, so wie der Südostabfall gegen die Donau, be¬
sonders daö Hochsträß, haben natürlich ein milderes Klima. Die Ortschaften liegen
unter ihren Strohdächern wie begraben in weiten Entfernungen von einander, ein¬
sam, gewöhnlich in Vertiefungen zum Schutz vor den scharfen Winden. Die Hütten
find meist einstockig, ohne Kamin, außen statt der Verblendung mit einem roth an¬
gestrichenen, mit Figuren gezierten Getäfel belegt. Die meisten Orte haben Mangel
an Oucllwasser; daher sind Wassersammlungen angelegt, in welchen das Negcnwaffer
aufgefangen wird. Es sind fünfzehn bis zwanzig Fuß tiefe, von Thon ausgeschla¬
gene Zisternen, in welche man das Regenwasser von den Strohdächern hineinleitet.
Für das Vieh hat man sogenannte Hülen, Hülben oder Nöseu, d. h. flache Wasser¬
behälter, in welchen das Wasser von den benachbarten Anhöhen zusammenläuft.
Die Hauptfelsart, aus welcher das Innere der Alb besteht, ist ein hellfarbiger,
gewöhnlich gelblich weißer Kalk, den man Jurakalk nennt; er enthält viele ver¬
steinerte Schnecken und Muscheln, auch kommt Eisen in Bohnerzkörnern in ihm vor,