Ausbreitung der christlichen Lehre. Unter der Regierung des
Kaisers Augnstus waren die Verhältnisse zur Verbreitung der neuen Lehre
günstiger als je zuvor und nachher, weshalb es auch mit Recht heißt, daß
die Zeit für die Gründung der christlichen Religion damals „erfüllt" war.
Das römische Reich umfaßte den ganzen, damals bekannten Erdkreis. Alle
Gebildeten darin verstanden die griechische Sprache, in welcher die Boten
Christi später das Evangelium verkündeten. Große und sichere Handels¬
wege verbanden, wie nie zuvor, Orient und Oecident; ans denselben ge¬
langte die neue Lehre bald in alle Provinzen des weitläufigen Reiches.
Einrichtung der ersten Christengemeinden. Nach dem Tode
des Heilandes ward die christliche Lehre durch die Apostel weiter verbreitet.
Zu Jerusalem wurde die erste christliche Gemeinde gegründet, welche die
Gütergemeinschaft einführte und als Mustergemeinde galt. Wenngleich
die erwähnte Gütergemeinschaft als ein Zeichen selbstverleugnender Liebe
dasteht, so hat doch die Erfahrung gelehrt, daß eine Fortdauer dieser
äußern Einrichtung zu den Unmöglichkeiten gehörte. Auch in der Bibel
wird die Gütergemeinschaft nicht als ein Gebot, aufgestellt. An der Spitze
jeder einzelnen Christengemeinde stand ein Ältester. Die Gläubigen
hielten oft Versammlungen ab, in welchen die heilige Schrift gelesen und
erklärt wurde. Gesänge und Gebete wechselten ab. Es wurden auch zu¬
weilen Liebesmahle (Agapen) gegeben, bei welchen man die Armen auf
allgemeine Kosten speiste. Diejenigen, welche zur Aufnahme in die christ¬
liche Gemeinde vorbereitet wurden, hießen Katechumenen. Durch die
Taufe wurde man Mitglied der Gemeinde.
72. Aus der Zeit der Christenverfolgungen.
Ursache der Verfolgungen. Die Christen hatten im römischen Reich
große Verfolgungen zu erdulden, weil sie sich von den Heiden absonderten
und nicht den Göttern opfern wollten, wie die Staatsgesetze es verlangten.
Die Römer sahen sie daher als Feinde des Staates an, die mit Feuer
und Schwert ausgerottet werden müßten. Man spricht gewöhnlich von
zehn Christenverfolgungen, die in den Tagen des grausamen Kaisers Nero
begannen und unter andern Kaisern syrtgesetzt wurden.
Arten der Verfolgungen. Man schonte keines Standes, keines
Geschlechts, keines Alters. Einige wurden durchs Schwert, andere durchs
Feuer, noch andere durchs Kreuz hingerichtet und wieder andere den wilden
Tieren vorgeworfen. Man nähte sie auch in Säcke, welche mit Pech ge¬
tränkt waren, und zündete diese an, oder man bestrich sie mit Honig, setzte
sie dann den glühenden Sonnenstrahlen aus und ließ sie von den Insekten
zerstechen; einige wurden mit zurückgebogenen Händen an einer hölzernen
Maschine befestigt und alle ihre Glieder auseinander gezogen. Die Folter¬
knechte zerfetzten ihnen dann den ganzen Leib mit eisernen Nägeln; andere
wurden zwischen gewaltsam aneinander gebogene Baumäste gezwängt, die
sie dann auseinander rissen; noch andere ließ man in Ketten Tage lang
hängen, und bei den Hinrichtungen war es nichts Seltenes, daß die Scharf¬
richter über den Martern ermüdeten und ihre Werkzeuge sich abstumpften.
Diese unsäglichen Grausamkeiten erfüllten nun wohl bei einigen ihren
Zweck; diese verleugneten ihren Herrn und fielen ab. Im ganzen aber
brachten die Verfolgungen der Kirche nur Segen. Viele Geschichten von
bewunderungswürdigem Glaubensmut sind uns aus jener Zeit aufbehalten.
Ignatius. *J* 115. Zu Antiochien (in Syrien) stand Ignatius, ein
Schüler der Apostel, einer blühenden Christengemeinde vor. Um diese