Full text: Geschichte der Griechen und Römer

1 
— 21 — 
kämpfte auch seltener in offener Feldschlacht, sondern versuchte sich in ein¬ 
zelnen Zweikämpfen. . 
Hektors Abschied von Andromache. Unter den Trojanern that 
sich durch seine Tapferkeit besonders Hektor, ein Sohn des Königs Pria- 
rnus, hervor. Bei den Griechen aber kam keiner dem Achilles gleich. 
Als Hektor einst zum Kampfe ausziehen wollte, drückte ihm sein Weib 
Andromache unter Thränen die Hand und sprach: „Entsetzlicher Mann! 
Gewiß tötet dich noch dein Mut, und du erbarmst dich weder deines 
stammelndes Kindes, noch deines unglückseligen Weibes, das du bald zur 
Witwe machen wirst. Werde ich deiner beraubt, so wäre es das beste, ich 
sänke in den Boden hinab. Darum erbarme dich, bleibe hier, mache dein 
Kind nicht zur Waise, dein Weib nicht zur Witwe." Liebreich antwortete 
Hektor seiner Gemahlin: „Auch mich härmt alles dieses, Geliebteste; aber 
ich müßte mich vor Trojas Männern und Frauen schämen, wenn ich erschlafft 
wie ein Feiger hier aus der Ferne zuschaute. Auch mein eigener Mut 
erlaubt es mir nicht; er hat mich immer gelehrt, im Vorderkampfe zu 
streiten." Dann küßte er sein geliebtes Söhnlein und flehte zum Himmel: 
„Zeus und ihr Götter! Laßt dies mein Knäblein werden wie mich selbst, 
voranstrebend dem Volk der Trojaner! Laßt es mächtig werden in Troja 
und die Stadt beherrschen, und dereinst sage man, wenn es beutebeladen 
aus dem Streite heimkehrt: der ist noch weit tapferer als sein Vater." 
Darauf streichelte er sein Weib mit inniger Wehmut und sagte: „Armes 
Weib, traure mir nicht zn sehr im Herzen! Gegen das Geschick wird mich 
niemand töten; dem Verhängnis aber ist noch kein Sterblicher entronnen." 
Als er das gesagt hatte, setzte er sich den Helm aus und ging davon. 
Agamemnon und Achilles im Zwist. Im zehnten Jahre der Be¬ 
lagerung erreichte die Not der Griechen einen bedenklich hohen Grad. Wäh¬ 
rend in ihrem Lager eine verderbliche Seuche wütete, hatte sich Achilles, 
von Agamemnon tief verletzt, in sein Lager zurückgezogen, entschlossen, am 
Kampfe keinen Teil zn nehmen. Dies benutzten die Trojaner, stürmten 
unter Anführung des heldenmütigen Hektor heran, warfen die Griechen 
und drängten sie zu ihren Schiffen zurück. Eins davon steckten sie sogar 
in Brand. In dieser verhängnisvollen Lage gab Achilles seinem Busen¬ 
freunde Patroklos feine Rüstung und schickte ihn ab, den Griechen beizu¬ 
stehen. Allein das unerbittliche Schicksal hatte den Fall des Patroklos 
beschlossen; Hektor versetzte ihm den Todesstoß. 
Hektars Tod. Jetzt konnte sich Achilles nicht länger halten und 
forderte Hektor zum Zweikampfe auf. Achilles erschien aus dem Kampf¬ 
platze in furchtbarer Herrlichkeit. Aus der rechten Seite bebte entsetzlich 
seine Lanze; feine Erzwaffen schimmerten um ihn wie eine Feuersbrunst 
oder wie eine aufgehende Sonne. Als Hektor ihn sah, mußte er unwill¬ 
kürlich zittern; er floh vor seinem Verfolger, der ihn. wie ein Jagdhund den 
aus dem Lager aufgejagten Hirsch, bedrängte, und ihm, wie dieser seinem 
Wilde, keinen Schlupfwinkel und keine Rast gönnte. Endlich aber stand 
Hektor und sprach zu Achilles: „Ich will mit dir kämpfen; aber laß uns 
einen Eid leisten, daß der Sieger die Leiche des Gefallenen nicht mißhandele." 
Achilles antwortete: „Macht auch der Wolf mit dem Lamm einen Vertrag? 
All das Leid, das du den Meinigen mit der Lanze angethan hast, das 
büßest du mir jetzt auf einmal!" So rief Achilles und schleuderte die 
Lanze; doch Hektor sank ins Knie, und das Geschoß flog über ihn weg in 
die Erde. Mit zornigem Schwung entsandte nun Hektor auch seinen Speer, 
und dieser fehlte nicht; er traf mitten aus den Schild des Ackilles, prallte 
aber davon ab. Jetzt ergriff Achilles feine Lanze und stieß sie Hektor in
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.