Object: [Band 2, [Schülerband]] (Band 2, [Schülerband])

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ob reinlich, ob schmutzig, gilt gleich. Hier kommt das Männchen 
angeflogen mit einem Strohhalm so lang, daß es ihn kaum fortschaffen 
kann und damit in der Luft hin- und hertorkelt. Das Weibchen hat 
unterdessen an einem Wandnagel ein Stückchen verwitterten Bind— 
faden erspäht, der vor Jahren zur Befestigung eines mittlerweile 
eingegangenen Weinstocks diente. Mit allem Eifer macht es sich an 
die Arbeit, den Faden abzulösen, was gar nicht so leicht ist; denn der 
Vogel hat nicht die nötige Sitzgelegenheit. Er klammert sich an die 
Wand auf dem rohen Bewurf an und zieht mit Macht am Fadenende. 
Aber, o weh, er versieht es und überschlägt sich nach hinten und 
baumelt, mit dem Schnabel den Faden festhaltend, in der Luft. Nach 
vieler Mühe endlich wird das Strickchen zerfasert und stückweise ein— 
getragen. In jener Kammer nach dem Hofe hinaus hat die Magd 
ihre Haare geordnet; sie öffnet das Fenster und wirft einen Ballen 
ausgekämmter Haare heraus. Langsam schwebt er zur Erde; aber 
bevor er den Boden erreicht, hat ihn ein Spatz erblickt und fängt ihn 
triumphierend in der Luft auf. Nach und nach kommt so ein 
unglaublich liederlicher Klumpen von allerlei Zeug zusammen, den 
das Sperlingspärchen unverschämt genug ist, für ein Nest zu halten 
und zu erklären. 
Oft aber gestaltet sich der Vorgang des Nistens und des Nestbaues 
anders, und es kommt dabei häufig genug der niederträchtige, eigen— 
süchtige Charakter des Sperlings so recht zum Vorschein. Hinter dem 
Hause im Garten in dem dichten Stachelbeerbusche hat ein Grasmücken⸗ 
pärchen angefangen, mit Redlichkeit und Eifer sein Nestchen zu bauen, 
das beinahe vollendet ist. Da bemerkt es der Sperlingshahn, der dort 
herumstrolcht, und denkt sich: Ja, sieh mal an! Da ist eine bequeme 
Einrichtung, das viele hübsche Heu und die Federchen, das kommt uns 
extra zupaß! Und ohne lange zu fragen, langt er zu und vernichtet 
die saubere Arbeit der wehrlosen, bescheidenen Grasmücke. Ein 
anderes Mal sticht ihm im Vorfrühling das behagliche Nestchen der 
verreisten Schwalbe unter dem Dachkasten in das Auge. Hm! ein 
Haus, das leer steht und von seinen Eigentümern verlassen ist, ist 
gewissermaßen herrenloses Gut nach Kriegsrecht, und die ganze Welt 
lebt eigentlich mit mir immer auf dem Kriegsfuße. Folglich darf ich 
auch immer nach Kriegsrecht verfahren; also, Frau, beziehen wir diese 
Schwalbenmansarde. Die Nistkästchen, die ein Vogelliebhaber für 
ganz andere Leute aufgehängt hat, nimmt er den Rotschwänzchen vor 
dem Schnabel weg. 
Ist endlich das Nest fertig gebaut oder ein fertiges gestohlen, so 
legt das Weibchen 4507, meistens 526 Eier hinein die innerhalb
	        
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